146 Drittes Kapitel.
Wenn man die Behauptung aufstellt, dass die Einzelstaa-
ten als solche und in ihrer verfassungsmässig umgrenzten
Rechtssphäre in einem völkerrechtlichen Verhältniss der
Nebenordnung und der Selbständigkeit sowohl unter einander
als zum Gesammtstaate stehn oder dass ihnen überdies ihre-
völkerrechtliche und selbständige Rechtsstellung durch ein
Vertragsverhältniss untereinander oder zur Gesammtheit ver-
bürgt sei, so liegt bei jenen wesentlichsten Punkten jeder
Bundesverfassung die Entscheidung. Der Beweis muss er-
bracht werden, dass entweder alle und jede Verfassungsände-.
rungen des Bundes oder doch diejenigen Verfassungsände-
rungen, welche in die Rechtsstellung der Einzelstaaten im.
Bundesorganismus oder in die Abgrenzung der Kompetenzen
des Bundes und des Einzelstaates eingreifen, zu ihrer Rechts-
gültigkeit an den Vertrag der Einzelstaaten unter einander
oder mit dem Gesammtstaat gebunden sind. \
Dieser Beweis ist für den norddeutschen Bund und für
das deutsche Reich angetreten worden.
Bereits für den norddeutschen Bund hat man die wesent-
lichsten Rechte der Einzelstaaten in dem Bundesorganismus.
als vertragsmässige Elemente qualifizirt und man hat jetzt in
dem zweiten Alinea des Artikel 78 der deutschen Reichsver--
fassung die ausdrückliche Beurkundung hierfür gefunden.
Aber das Hauptgewicht hat man auf die Behauptung ge-
legt, dass der norddeutsche Bund und jetzt das deutsche Reich
nicht berechtigt sei, seine Kompetenzen im Wege der Gesetz-
gebung, mithin anders, als im Wege des Vertrages zu er-
weitern.
Die Beweisführung für diese Behauptung hat sich auf
allgemeine Erörterungen gestützt, welche bestimmt waren,
der Auslegung des Verfassungstextes eine gesicherte Grund-
lage zu gewähren und welche das Wesen des Staates und die
besondere Erscheinung des Bundesstaates an gewichtigen
Punkten trafen. |
I. An die Spitze ist der Satz gestellt worden: Nie-