Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 149
In dieser Rechtsmacht des Staates über seine Kompetenz.
liegt die oberste Bedingung der Selbstgenugsamkeit, der
Kernpunkt seiner Suveränetät. Einem politischen Ge-
meinwesen, dem dieses wesentlichste Merkmal zukommt, wer-
den wir die Natur des Staates zusprechen; wir werden ihm
den vollen und normalen Begriff des Staates absprechen, wenn
das Merkmal fehlt. | ”
II. Was für den Staat gilt, gilt nicht ohne Weiteres für
den Bundesstaat. So hat man es denn versucht, aus dem
Wesen des Bundesstaates den Satz als logische Fol-
gerung abzuleiten, dass die verfassungsmässigen Kompetenzen
des Gesammtstaates nur im Wege des Vertrages der Einzel-
staaten abgeändert, insbesondere erweitert werden können.
Allein die historischen Erscheinungen, welche den Typus
des Bundesstaates aufweisen, entsprechen der logischen For-
derung nicht. Wenn wir nicht im Voraus den Begriff des
Bundesstaates dergestalt fertig hinstellen, dass er den erst zu
beweisenden Satz bereits als wesentliches Merkmal an sich
trägt, wenn wir vielmehr die bildenden Elemente in das Auge
fassen, aus denen sich der Bundesstaat zusammensetzt, dann
ergiebt sich für die Formen der Aenderung seiner Verfassung
und seiner Kompetenzen eine dreifache, vielleicht eine vier-
fache Möglichkeit.
1. Es mag sein, dass Aenderungen der Verfassung
des Bundesstaates überhaupt von Bundes wegen ausgeschlossen
sind und lediglich durch die Rechtshbandlung der Einzelstaa-
ten als solcher, also insbesondere im Wege des völkerrecht-
lichen Vertrages erfolgen können. Am Nächsten stand dem
die Verfassung der konfederirten Staaten von Amerika von
1561 — Artikel V —. Sie gestattete die Initiative zu einer
Verfassungsänderung nur den Einzelstaaten als solchen, in-
dem sie für dieselbe einen Antrag der gesetzlich versammel-
ten Konventionen von mindestens drei Staaten forderte. Sie
dass dem Staate rechtliche Grenzen gesetzt seien, mit der Frage wer dem
Staate diese Grenzen anweise. Vergl. Meyer, Grundzüze pag. 3 ff.