154 Drittes Kapitel.
gang zum Staatenbund erscheinen lassen. Ja es mag eine
Meinung geben — und sie besteht in Deutschland seit denı
Entwurfe der siebzehn Versrauensmänner -—, welche gerade
die zur Frage stehende Form der Verfassungsänderung unter
den obwaltenden politischen Voraussetzungen für diejenige
hält, welche dem Wesen des Bundesstaates und seiner eigen-
thümlichen Aufgabe allein entspricht und welche allein den
Bestand desselben auf solange verbürgt, als diese Regierungs-
form überhaupt von den lebendigen Kräften der Nation ge-
tragen und darum haltbar ist.
IV. Allerdings — es steht über jedem Zweifel, dass die
Formen der Verfassungs- und Kompetenzänderungen von ent-
scheidender Bedeutung für das Wesen des Bundesstaates im
Allgemeinen und im einzelnen Falle sind.
Eine doppelte Auffassung des Bundesstaates im Verhält-
niss des Gesammtstaates zu den Einzelstaaten ist denkbar.
Nach der einen Auffassung ist der Gesammtstaat nur die
Ergänzung des Einzelstaates in einem engern Gebiete, in
welchem die Kraft des Einzelstaates nach seiner eigenen An-
erkennung zur Erfüllung der Staatsaufgaben nicht genügt.
Hier liegt das Hauptgewicht auf dem Einzelstaate. Er erweist
sich auch in der Gemeinschaft noch als der ursprüngliche
Träger des Staatsgedankens. Der Bundesstaat ist die Kon-
zession, ist das Auskunfts-; Hilfs- und Schutzmittel des Einzel-
staates.
Die andere Auffassung schreibt dem Bundesstaate eine
umfassendere Bedeutung zu. Er nimmt nicht nur eine die-
nende und aushelfende Stellung im Verhältniss zu den Einzel-
staaten ein. . Er gilt als eine selbständige, als eine unmittel-
bar wesentliche Potenz für den Staatszweck. Nicht nur Auf-:
gaben sind ihm geeignet, welche die Unzulänglichkeit des
Einzelstaates nothwendig macht, sondern alle Aufgaben, welche
sicherer, besser und wohlauch glänzender durch die Gesammt-
kraft erreicht werden können. Er übernimmt es nicht durch
seine Aushilfe den Staatsgedanken im Einzelstaate zur Voll-