Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 167
eine die Bundeskompetenz abschwächende Bedeutung nicht
haben, kann dem einzigen hierüber gefassten positiven Be-
schluss 5? nichts Weniger als die Wirkung zugeschrieben
rung der Verfassung regelmässig nur durch Aenderung des Verfassungstextes
erfolgen könne und es will von dieser Regel eine Ausnahme für gemeinnützige
Massregeln und Anstalten gestatten. Den Umfang der in regelmässiger Form
zulässigen Verfassungsänderangen’ wollte dasselbe weder erweitern noch ver-
engern. Seine Verwerfung entschied daher über diese Frage gar nicht; seine
Annahme würde nur der thatsächlich späterhin befolgten laxen Praxis des
Bundes die ausdrückliche rechtliche Ermächtigung gegeben haben.
3. Amendement Schaffrath: demArt. 4 alsNo. 16 hinzuzufügen:
‚„‚die Abänderung und Auslegung dieser Verfassung‘‘. Die bestimmte Stel-
lung unter den Kompetenzen der Bundesgesetzgebung würde allerdings jeden
Zweifel über die Kompetenz-Kompetenz unmöglich gemacht haben. Trotzdem
lässt die Verwerfung des Amendements, die ohne jede Motivirung und Diskus-
sion erfolgte — Sten. Ber. des konst. Reichstages pag. 312 — keinerlei
Schluss auf eine bestimmte Deutung des art. 7 des Entwurfes, desspäterna. 78
der Verfassung zu.
4. Amendement Groote auf,einen neuen Artikel zwischena. 4u.5:
„Auch andere Angelegenheiten des Gesammtinteresses kann derselbe
(Gesammtstaat) zu gemeinsamen erheben. Die Landesvertretungen können
biergegen nur mit einer Mehrheit wirksamen Widerspruch einlegen, die wenig-
stens zwei Drittheile der Bevölkerung des ganzen Bundesgebietes repräsentirt‘‘,
5. Amendement Kratz, welches im spätern a. 78 der BV. hinter:
„im Bundesrathe eine Alehrheit von zwei Dritteln der vertretenen‘‘ die Worte
einschob: ‚‚und im Reichstage eine Mehrheit von zwei Dritteln der in gesetz-
licher Anzahl anwesenden Stimmen erforderlich‘‘.
\ . .
Die Verwerfung der Amendements 4. und 5. beweist nur, dass der konst.
Reichstag jede fernere Erschwerung der Verfassungsänderungen ablehnte.
5% Annahme des Antrages Lasker, anstatt des betreffenden Passus
im a. 7, al. 2 des Entwurfes den spätern a. 78 der Verf, zu setzen. S. seine
Motivirung l. c. pag. 352. Richtig ist, dass, falls aus andern Gründen die
engere Bedeutung der ‚‚Verfassungsveränderungen‘‘ nachgewiesen werden
könnte, die Annahme dieses Antrages für sich allein dem Worte eine weitere
Bedeutung nicht würde verliehen haben. Darauf ging auch nicht die Moti-
virung, sondern sie setzte den Einschluss der Kompetenzänderungen in den
Aenderungen der Verfassung voraus. — Wenn man zur Interpretation des
a. 78 auch die Thronreden zur Eröffnung und zum Schlusse des konsti-
tnirenden Reichstages herangezogen hat, so wird es immer schwer sein aus
rein politischen Erörterungen juristisches Interpretationsmaterial zu gewinnen.