170 Drittes Kapitel.
reiche gewesen, dass man im Verhältniss zu der kurzen
Zeit ihres Bestandes von einer feststehenden Praxis dieser
Körperschaft sprechen kann. Und diese Praxis wiederum
bat ihre Sanktion durch die Uebereinstimmung aller legisla-
tiven Faktoren des Bundes zum Erlass des Bundesgesetzes
vom 12. Juni 1869, betreffend die Errichtung eines obersten
Gerichtshofes für Handelssachen, gefunden, wenn man aller-
dings auch versucht hat die Kompetenz des Bundes hierzu
aus den bestehenden Kompetenzen desselben abzuleiten ®'.
Antrag Miquel-Lasker, die No. 13 des a. 4 der BV. dahin zu fassen:
„die gemeinsame Gesetzgebung über das gesammte bürgerliche Recht, das
Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, einschliesslich der Gerichtsorgani-
sation.“ (1. Berathnng Sten. Ber. pag. 445 ff. 2. Ber. ib. pag. 647 ff. 3. Ber.
und schliessliche Annahme ib. pag. 833 ff.) — Uebergangen sind hierbei an-
genommene Anträge auf Geldbewilligungen und bewilligte
Budgetposten fürZwecke, welchenkeine Bundeskompetenz
entspricht: für das germanische Musenm in Nürnberg, Session 1868, Sten.
Ber. pag. 335 und Etat des Bundeskanzleramtes pro 1870; für Beobachtung
‚der Sonnenfinsterniss vom 18. August’1868, Session 1868,Sten. Ber. pag. 191;
für Herausgabe der Monumenta Germaniae historica im Etat des Bundeskanzler-
amtes pro 1871. Vergleiche hierüber die Kompetenzerörterungen des Präsi-
denten des Bundeskanzleramtes, der AbgeordnetenGr. Bassewitz, Twes-
ten, Gebert, Miquel, Harnier inder Session 1868, Sten. Ber. pag. 187.
189. 331. 332. 333. 534. 335. — Auch die Kompetenz des Bundes zur Er-
lassung des Gesetzes vom 3. Juli 1869, betr. die Gleichberechtigung
der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung ist be-
stritten — Session 1868. Sten. Ber. pag. 494 ff. Session 1869 ib. pag.
1246 — , andererseits aber auf Grund der Bundesgesetzgebungskompetenz
über Staatsbürgerrecht behauptet worden. —
6ı Für die bestehende Bundeskompetenz sprach sich prinzipaliter die
preussische Staatsregierung aus in der Komission und Plenarver-
handlung des Herrenhauses, Session 1868,69, über den Lippe’schen Antrag,
Sten. Ber. pag. 56 ff. und Anlagen No. 20. Allein die versuchte Begründung
ist nicht überzeugend. Art. 4 der Verf. bezeichnet die einzelnen Gegen-
stände, rücksichtlich deren dem Bunde aus der Fülle der Staatsgewalt nur
Beaufsichtigung und Gesetzgebung zustehen sollen, selbstverständlich insofern
dem Bunde in den spätern Artikeln nicht noch weiter gehende Befugnisse
rücksichtlich einzelner Gegenstände zugeschrieben werden. Die in allen
deutschen Staaten durch unterschiedene Organisationen praktisch hervor-
tretende Unterscheidung der einzelnen Staatsgewalten in die gesetzgebende,