Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 173 
September 1870 in München zwischen den norddeutschen, 
bairischen und würtembergischen Bevollmächtigten gepflogen 
wurden, von Seiten Würtembergs unter Anerkennung der 
Deutung des Artikel 78 auf Kompetenzerweiterungen eine Er- 
schwerung der Verfassungsänderungen durch das Erforder- 
niss einer vergrösserten Majorität im Bundesrathe angestrebt 
wurde, forderte Baiern für sich ein Veto gegen alle Verfas- 
sungsänderungen, welche eine Erweiterung der Bundeskompe- 
tenz, das Stimmrecht oder die Sonderstellung Baierns beträfen. 
Der würtembergische Standpunkt fand seinen Ausdruck in dem 
badisch-hessischen Vertrage, welcher in steter Rücksicht auf 
die andern süddeutschen Staaten, insbesondere auf Würtem- 
berg geschlossen wurde und in dem würtembergischen Ver- 
trage selbst dadurch, dass die bisher für Verfassungsände- 
rungen geforderte zwei Drittel Majorität des Bundesrathes 
in eine drei Viertel Majorität umgewandelt wurde. Baiern 
sodann gab seinen Anspruch auf ein Veto gegen gesetzliche 
Kompetenzerweiterungen des Bundes auf um den Preis er- 
höhter Erschwerung jeder Verfassungsänderung d. h. jenes 
Widerspruchsrechtes von 14 Bundesrathsstimmen, welches in 
der Reichsverfassung Aufnahme gefunden hat”. Wenn hier- 
67 S. die Rede des Justizministers von Mittnacht in der zweiten wür- 
tembergischen Kammer, Sitzung vom 8. Febr. 1872, Protokoll der würtemb. 
2. K. Bnd. III, pag. 1381 ;, Bundeskanzleramts-Präsident Delbrück in der 
zweiten ausserordentlichen Session des nd. Reichstages von 1870, Sten. Ber. 
pag. 143; Justizminister von Lutz, in der bair. Kammer der Abgeord- 
neten, Sitzung vom 16. Dezember 1871, Sten. Ber. I, pag. 112: ,‚‚Sie erin- 
nern sich, dass früher im nordd. Bunde eine Kontroverse darüber bestanden 
hat, ob zu Kompetenzerweiterungen jeder einzelne Landtag wieder zustimmen 
müsse. Es war nicht einmal, sondern zehn- und zwanzigmal bei den Ver- 
handlungen in Versailles — sie haben ja 5 Wochen lang gedauert — davon 
die Rede, dass diese Kontroverse aus der Welt geschafft werden müsse und 
nicht die bairische Vertretung allein, sondern auch die Vertreter aller andern 
Staaten konnten sich schliesslich der Ueberzeugung nicht entziehn, dass es 
für die Folge auf die alte Kontroverse nicht mehr ankommen könne, sondern 
dass diese beseitigt werden müsse und zwar in dem Sinne, dass das Reich 
kraft seiner Legislative berechtigt sei, auf Grund der Abstimmung im Bundes-
	        
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