Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

178 Drittes Kapitel. 
Legislaturen für diejenigen Verfassungsänderungen zu ge- 
winnen versucht, welche Kompetenzerweiterungen des Reiches 
oder Aenderungen der Einzelstaatsverfassungen enthalten. Das 
ist die wesentliche Tendenz, wie zur Zeit des norddeutschen 
Bundes des Antrages Graf zur Lippe im preussischen Herren- 
hause, so des Antrages Schüttinger, welcher am 13. 
Dezember 1871 in der bairischen Kammer der Abgeord- 
neten gestellt aber abgelehnt wurde 72. 
72 Der Antrag Oesterlein, welcher ziemlich gleichzeitig in der wür- 
tembergischen Abgeordnetenkammer gestellt wurde, ging trotz seiner 
weiten Fassung nur auf die ‚‚Massgaben‘‘ des Vertrages vom 25. Nov. 1870, 
also auf die Sonderrechte Würtembergs. — Der Antrag Schüttinger 
ging auf folgendes Verfassungsgesetz: ‚‚$ 1 In allen Fällen, in welchen der 
Bundesrath über Abänderungen der Verfassung des deutschen Reiches oder 
über Zusätze zu derselben oder über diejenigen Vorschriften dieser Verfassung 
beschliesst, durch welche bestimmte Rechte Baierns in dessen Verhältniss zur 
Gesammtheit festgestellt werden, sind die bairischen Vertreter im Bundes- 
rathe bezüglich ihrer dort abzugebenden Erklärungen an die Zustimmung der 
Kammer der Reichsräthe und der Kammer der Abgeordneten gebunden. $ 2 
Bevor diese Zustimmung der beiden Kammern des Landtages erfolgt ist, 
haben die bairischen Vertreter im Bundesrathe alle Anträge, welche sich auf 
die in Ziffer 1. bezeichneten Abänderungen beziehn, abzulehnen. $ 3. Die 
bairischen Staatsminister sind für die Beobachtung dieses Gesetzesnach Tit. X. 
69 4—6. der Verfassungsurkunde und nach dem Gesetze vom 4. Juni 1848, 
die Verantwortlichkeit der Minister betreffend, haftbar‘‘. — Ein Amendement 
Huttler wollte die Eingangsworte des $ I. dahin gefasst wissen: ‚‚In allen 
Fällen, in welchen der Bundesrath über die Erweiterung der Kompetenz der 
Verfassung des deutschen Reiches beschliesst, soweit hierdurch die verfas- 
sungsmässigen Landesrechte Baierns oder die ina. ‘8 al. 2 d. d. RV. Baiern 
gewahrten Reservatrechte eine Aenderung erleiden, sind die etc.‘‘ Dem 
strengen Wortlaute nach steht der Antrag Schüttinger nicht auf dem Boden 
des für jede kompetenzerweiternde Reichsverfassungsänderung nothwendigen 
Vertrages, denn dann hätte er die nachträgliche ständische Genehmigung für 
den von der bairischen Krone geschlossenen Vertrag dieses Inhaltes 
fordern müssen. Dem strengen Wortlaut nach präjudizirt er auch nicht 
der Kompetenz-Kompetenz des Reiches und bedingt die Giltigkeit eines kom- 
petenzerweiternden Reichsgesetzes nicht durch vorgängige ständische Geneh- 
migung, sondern er giebt dem bairischen Bundesrathsmitglied nur eine gesetz- 
liche Instruktion, deren Ueberschreitung, unbeschadet der Gültigkeit des 
Aktes gegenüber dem Reiche, den Thatbestand der aus der ministeriellen 
Verantwortlichkeit fliessenden Strafbarkeit feststellt. Allein die rechtliche
	        
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