Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 185
Es liegt auf der Hand, dass in diesem Streite und bei
dieser Entscheidung die Frage nach der juristischen Bedeu-
tung der Worte: negotia, ubi status tanquam unum corpus
considerari nequeunt, die Frage also nach einer genauen Prä-
zisirung der „jura singulorum“ ein untergeordnetes Interesse,
nur das Interesse der Motivirung des Rechtes auf itio in partes
für den einzelnen Fall besass.. Es wurde damit die prinzi-
pielle Beantwortung der ganz andern Frage zurückgesetzt:
ob es nach Reichsrecht jura singulorum gäbe und welche diese
seien, durch deren Berufung der einzelne dissentirende
Reichsstand Kollegialbeschlüsse ungültig oder doch für ihn
unverbindlich machen könne.
Allerdings haben sich einzelne Reichsstände auf.ihre jura
singulorum mit dem Anspruche dieser Wirkung vielfach be-
rufen. Allein die reichsständischen Kollegien haben sich in
wichtigen Präzedenzfällen darüber hinweggesetzt’%6. Ebenso
scheinen die theoretischen Untersuchungen über die einschla-
gende Gesetzesklausel in logischer Konsequenz zu dem Schlusse
führen zu müssen, dass Beschlüsse, welche in die definirten
Jura singulorum ohne Zustimmung des Berechtigten eingriffen,
ungültig seien. Allein der geforderte Schluss wurde fast
immer umgebogen in die Antwort, dass die itio in partes in
diesem Falle berechtigt sei7”7 oder man leugnete seine Rich-
76 So als 1753/54 die Fürsten von Thurn und Taxis und Schwartzburg in
den Reichsfürstenrath anfgenommen wurden, wogegen die altfürstlichen Häuser
bebaupteten, dass dadurch ihre Stimmrechte als jura singulorum berührt
würden und mithin Zustimmung jedes Einzelnen oder doch des Kollegs der
weltlichen Fürstenbank erforderlich sei. S. die Verhandlungen und Proteste
bei Franckel. c. pag. 28 ff. So 1770 gegenüber Kurbaiern in den Mauth-
und Zollstreitigkeiten, 1772 gegenüber mehren Reichsständen in den Be-
schlüssen über die Getreidesperren. J. J. Moser, vonteutschen Reichstägen
II pag. 258 ff.
. 7780 unter den neuern Schriftstellern noch Pütter, inst. jur. publ. $$
172 ff. Leist, Lehrb. d. d. Staatsrechts $ 69. Dagegen fordert Gönner,
T. Staatsrecht $ 198, bei jurasingulorum Uebereinkunft der gesammten Reichs-
gewalt mit dem Einzelnen.