198 Drittes Kapitel.
Rechte, welche nicht durch eine ausdrückliche Vorschrift der
Reichsverfassung fest bestimmbar sind, stehen überall nicht
zur Frage.
Es kommen endlich nur in Betracht Verfassungsvor-
schriften über „bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten“.
Es ist unmöglich diese Ausdrucksweise mit der andern gleich-
zustellen: bestimmte Rechte des einzelnen Bundesstaates
oder der einzelnen Bundesstaaten. Damit würden allerdings
getroffen alle Vorschriften, welche feststellen bestimmte Rechte
aller einzelnen Bundesstaaten oder jedes einzelnen als
solchen 92. Allein nach dem klaren Wortlaute des Alinea 2
undnach dem Sprachgebrauch allerübrigenV erfassungsartikel®3
können als Inhalt der in Betracht kommenden Vorschriften
ausschliesslich vorausgesetzt werden solche Rechte, welche
einem einzelnen oder mehren einzelnen Bundesstaaten zu-
stehn in Sonderung von den Rechten aller einzelnen Staaten
— auch dann, wenn diese letztern als bestimmte festgestellt
sind 9,
schweigende, die eben so bestimmt sind als die ausdrücklichen. Sitzung vom
23. Febr. 1872. Mittheilungen über die Verhandlungen des Landtages.
II. Kammer. pag. 1134. Ebenso Probst in der zweiten würtem-
bergischen Kammer: Sonderrechte sind nicht blos-die im Vertrag aus-
drücklich aufgenommenen, sondern alle, die man nicht zur Verfügung des
Reiches stellen wollte. Sitzung vom 8. Februar 1872. Protokolle Band III,
pag. 1381 ff. Aehnlich Riedel, die Reichsverfassungsurkunde pag. 164.
92 Staatsminister von Friesen in der zweiten sächsischen
Kammer am 23. Februar 1872: ‚‚dass man dabei keineswegs blos an die
später festgestellten s. g. Reservatrechte gedacht hat, sondern dass auch die
allen einzelnen Staaten zustehenden jura singulorum damit gemeint sind‘*‘.
l. c. pag. 1143.
93 Ueberall wo von allen Einzelstaaten zustehenden Rechten oder
Rechtsverhältnissen die Rede ist wird eben grammatisch korrekt von den
einzelnen Bundesstaaten gesprochen. RV. aa. 35, 36, 38 No. 3 ce, 51 al. 3,
60, 62 al. 2, 70. Ganz prägnant ist a. 58: Die Kosten und Lasten des
Kriegswesens sind „von allen Bundesstaaten“ gleichmässig zu tragen, sodass
weder Bevorzugungen noch Prägravationen „einzelner Staaten“ zulässig sind.
»%4 Z. B. die Rechte der Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ver-
brauchssteuern, die Anstellungsrechte der untern Post- und Telegraphenbe-
amten, die Rechte der Kontingentsherrn. RV. aa. 36 al. 1, 50 al. 5, 66.