Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 199 
Demgemäss scheiden alle Verfassungsvorschriften unter 
1.,1.,1l.,1.,undIIl.d. h. alle diejenigen aus, welche Rechte der 
einzelnen Staaten in ihrem Verhältniss zur Gesammtheit nur 
aus der Negation einer gesetzlich zutreffenden oder aktuell 
ausgeübten Kompetenz des Reiches begründen oder welche 
allen Staaten die gemeinsame Rechtsstellung im Reiche an- 
weisen. Die begrifflichen Merkmale des Alinea 2 befassen 
unter allen Umständen ausschliesslichdie Exemtionen (1., 2.) 
und die Vorschriften über dieindividualisirten Rechte 
der Einzelstaaten (1I.,2.). Zweifelhaft allein bleibtes, ob auch 
nur diese alle und ohne Ausnahme darunter be- 
griffen werden können? 
Für die Beantwortung dieser engern Frage ist es mass- 
gebend, welche Bedeutung dem jetzigen Alinea 2 
des Artikel 78 rückwärts für die norddeutsche 
Verfassungbeigelegtwerdenkann. 
Von sämmtlichen Vorschriften der norddeutschen Ver- 
fassung können nach den im Alinea 2 aufgestellten begriff- 
lichen Merkmalen nur in Betracht kommen diejenigen üher 
die Präsidialrechte der Krone Preussen, über die Freihafen- 
stellung der Hansestädte, über die Stimmrechte der einzel- 
nen Staaten im Bundesrathe und über den die Chausseegelder 
betreffenden Vorbehalt Oldenburgs. Für sie fragt es sich, ob 
die Bestimmung über Verfassungsänderungen nach Mass- 
gabe des jetzigen Alinea 2 stillschweigend Anwendung fin- 
den sollte oder auch nur konnte. 
1. Das ist zweifellos nicht der Fall für die Präsidial- 
rechtederKrone Preussen. Sie konnten nach der all- 
gemeinen Vorschrift des Artikel 78 der norddeutschen Ver- 
fassung nicht ohne Zustimmung der zur Zweidrittel- Majorität 
im Bundesrathe erforderlichen Stimmen Preussens abgeändert 
werden. Sie boten daher keinerlei Anhalt zur Annahme eines 
besondern, stillschweigend vorausgesetzten Schutzmittels für 
Verfassungsvorschriften, welche Sonderrechte einzelner Staa- 
ten betrafen. |
	        
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