216 Drittes Kapitel.
der Erklärung des Präsidenten des Bundeskanzleramtes im
norddeutschen Reichstage und das Recht einer authentischen
Interpretation für sich ausdrücklich ablehnend, der Ständever-
sammlung für den künftigen praktischen Fall das Recht der
Auslegung und die Staatsregierung begnügte sich damit, das
gleiche Recht sich auch ihrerseits vorzubehalten 309,
Zur vollen Kontestation gelangte die Frage im deutschen
Reichstage im November 1871 bei der Berathung des Gesetz-
entwurfes, betreffend die Einführung des norddeutschen Bun-
desgesetzes vom 9. November 1867 über die Verpflichtung
zum Kriegsdienst in Baiern. Als hierbei ein bairischer Ab-
geordneter, von der Voraussetzung ausgehend, dass der Ge-
setzentwurf dem Alinea 2 des Art. 78 anheimfalle, die Be-
hauptung aufstellte, dass eine Zustimmung der legislativen
Faktoren Baierns zu dem Gesetzentwurf erforderlich sei, gab
der bairische Bundesbevollmächtigte die Erklärung ab:
dass es niemals die Absicht der Kontrahenten gewesen
sei, den betreffenden Bestimmungen eine solche Bedeutung
unterzulegen,
dass der Reichstag berechtigt sei, einen Verzicht auf ein
besonderes Recht Baierns dann als rite abgegeben zu be-
trachten, wenn nur die bairischen Mitglieder des Bundesrathes
sich zu diesem Verzichte bekennen,
dass die bairische Regierung weder die Pflicht noch das
Recht habe, in dieser Frage ein Votum des bairischen Land-
tages zu provoziren. |
Dieser Erklärung trat der würtembergische Bevollmäch-
tigte zum Bundesrathe bei 11. Der Reichstag nahm den Ge-
setzentwurf ohne jeden Vorbehalt an.
Auf Grund dieser Vorgänge im deutschen Reichstage
100 Komissionsbericht $ 15. Verhandlungen der würtembergischen
KammerderAbg. 1870—72 Beilageband I. pag. 39 ff. und Erklärung des
Minister von Mittnacht in der Sitzung vom 22. Dez. 1870. ib. Protokolle
Bd. I. pag. 13 ff.
"10 Sitzungen des Reichstages vom 20. und 22. November 1871. Sten.
Ber. pag. 378 ff und pag. 422 ff.