228 Viertes Kapitel.
4), welcher die vertragsmässige Regelung des eigenen un-
mittelbaren Verkehres mitfremden Nachbarstaaten nach näherer
Massgabe des Artikel 49 des Postvertrages vom 23. Nov. 1867
an Würtemberg überliess, obwohl man in dieser Rücksicht die
volle Gleichstellung Baierns mit Würtemberg ausgesprochener
Massen 8 beabsichtigte. Nachdem nunmehr bei der gesetz-
lichen Redaktion der Reichsverfassung, die ursprünglich nur
würtembergisehe Klausel in den Text der Verfassung — Art.52
Alinea 3 — aufgenommen und gleichzeitig auf Baiern aus-
gedehnt worden ist, so muss angenommen werden, dass die
No. XI. des bairischen Schlussprotokolles, welche den Sinn
der Verfassung nur feststellen wollte, durch die in diesem
Sinne erfolgte Formulirung des Verfassungstextes selbst ihre
Erledigung gefunden hat?.
Die nach dieser Ausscheidung übrig bleibenden Verein-
barungen der Verhandlungen und Protokolle sind formell zwei-
fellos nicht Bestandtheile der deutschen Reichsverfassung.
Sie sind ausserhalb des Verfassungsgesetzes
stehende Vertragsklauseln, deren Inhalt von dem
ursprünglichen rechtlichen Entstehungsgrunde formell nicht
losgelöst worden ist. Allein damit ist ohne Weiteres über die
rechtliche Natur. derjenigen Vorschriften, und derjenigen
Rechte und Pflichten, die sie erzeugen, nicht entschieden.
Vielmehr treten je nach dem verschiedenen Inhalte die folgen-
den Unterscheidungen hervor:
I. Vereinbarungen, welche bezwecken, den
Sinn und die Tragweiteeinzelner Bestimmungen
der Reichsverfassung festzustellen.
1. Nur zum Theil enthalten sie gemeingültige d. h. alle
® Erklärung des Bundeskanzleramtes in der 2. ausserordentlichen Session
des norddeutschen Reichstages, 6. Sitzung, Sten. Ber. pag. 70.
® In strengster Auslegung könnte man dazu, gelangen, der Bestimmung
über den Grenzverkehr noch einen dauernden Werth in dem Verhältniss zwi-
schen Würtemberg und Baiern einzuräumen; für den Greuzverkehr mit
andern deutschen Staaten greift RV. a. 50 al. 2 Platz; für den mit freınden
Staaten a. 52 al. 3. cf. Fischer, in Holtzendorff’s Jahrbuch I. pag. 428.