Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die Protokolle zu den Verfassungsverträgen. 237 
Staat zu Staat, sondern im Schosse des Bundesrathes geführt 
werden. Und demgemäss ist auch in einem Präzedenzfall 
verfahren, als. das Gesetz über das Postwesen des deutschen 
Reichs vom 28. Oktober 1871 das bisher in Würtemberg nicht 
bestandene Vorrecht der Post auf ausschliessliche Beförderung 
politischer Zeitungen daselbst entgegen dem würtembergischen 
Protokoll No. 3 einführte und hierfür lediglich die Zustim- 
mung des würtembergischen Vertreters im Bundesrathe in 
Betracht gezogen wurde !®, 
Trotzdem ist dies unrichtig. Denn die vereinbarten Zu- 
sicherungen sind weder formell noch materiell „Vorschriften 
der Verfassung“, auf welche das Alinea 2 allein Anwendung 
leidet. 
Sollte diese Anwendung analog gefolgert werden, dann 
müsste auch nothwendig die Folgerung Platz greifen, dass 
jeder Verzicht auf jene Zusicherungen nicht nur die Zustim- 
mung des berechtigten Bundesstaates, sondern auch einen 
Akt der Reichsgesetzgebung erfordere, der im Bundesrath 
14 Stimmen nicht gegen sich hat. Allein jene Zusicherungen 
sind nur vertragsmässige Hemmungen fürdieAnwendungderan 
sich gemeingültigen Vorschriften der Reichsverfassung. Diese 
treten durch den Verzicht des vertragsmässig Berechtigten 
ohne Weiteres in volle Wirksamkeit, insbesondere ohne dass 
es eines Aktes der Reichsgesetzgebung bedarf, wenn sich auch 
die Wirkung des Verzichtes vielfach erst bei Gelegenheit des 
Erlasses eines Reichsgesetzes äussern würde 17. 
16 1, Session des deutschen Reichstag 1871. 29. Sitzung. Sten. Ber. 
pag. 547. und Bericht des Ausschusses der 2. würtemb. Kammer über den 
Antrag Oestrelein $4. Verhandlungen der würt. K. d. A. 1870/72. 1. Bei- 
lageband. 2. Abth. pag. 593 ff. 
17 Ein Verzicht Badens auf die eventuell garantirten 100,000 Thaler an 
Postüberschüssen oder Baierns auf die diplomatische Vergütung würde sich nur 
im Etatgesetz, ein Verzicht Würtembergs auf seinen Widerspruch gegen Aus- 
dehnuug der Postvorrechte nur im Postgesetz, Baierns auf seinen Widerspruch 
gegen Einführung eines deutschen Immobiliarversicherungsgesetzes nur in 
diesem, dagegen ein Verzicht Würtembergs auf den Widerspruch gegen Ein- 
führung des Einpfennigtarifes, Baierns auf Beglaubigung seiner Gesandten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.