Fünftes und Schlusskapitel. 941]
Selbständigkeit und ihrer Wirksamkeit nach der Weise von
Staaten anheimfällt.
Damit ist der Punkt gefunden, nach dem wir suchten, um
die endgültige Auffassung des Bundesstaates und seiner Er-
scheinung im deutschen Reiche zu gewinnen. Denn wir haben
die Annahme als einen theoretisch und praktisch unversöhn-
lichen Widerspruch anerkannt, dass der volle, der nicht für
den einzelnen Fall umgebogene , der an wesentlichen Merk-
malen nicht beschädigte Staatsbegriff sich im Gesammtstaate
und im Einzelstaate gleichzeitig und in ihrer Nebenordnung
wiederfinden könne.
Das deutsche Reich bildet den Staat nicht in der Weise,
dass die ihm zur unmittelbaren Erfüllung überwiesenen staat-
lichen Funktionen einerseits und die den Einzelstaaten tber-
wiesenen Funktionen andererseits, jeder Theil für sich, den
nebengeordneten Staat darstellen, sondern in der Weise, dass
nur das Zusammenwirken beider die Funktion des Staates in
seiner Fülle ergiebt. . Wenn aber dieses Zusammenwirken zur
Vollendung des Staates nur unter der Voraussetzung möglich
ist, dass die Einheitlichkeit des Staatsgedankens in der orga-
nischen Beziehung aller an ihm wirkenden Kräfte auf das
Ganze ihre Verwirklichung findet, so ist der rechtliche Aus-
druck hierfür die Rechtsmacht des Gesammtstaates, die ge-
sonderten Funktionen seiner selbst und der Einzelstaaten plan-
mässig zu vertheilen, jedem Mitgliede seine geordnete, mit-
wirkende Stellung im Gesammtorganismus anzuweisen, diese
Vertheilung und diese Stellung mit der Anlage auf den ein-
heitlichen Staatszweck hin unter den bestehenden, aber auch
unter den wechselnden politischen Voraussetzungen und Auffas-
sungen in Einklang zu setzen und zu erhalten, mit dem Allen
aber die Erreichung des Staatszweckes an letzter Stelle zu
verbürgen.
Das deutsche Reich bat diese Rechtsmacht empfangen.
Indem es unter dieser Rechtsmacht auch die Eiuzelstaaten als
solehe und in ihrer selbständigen Rechtssphäre zum Ganzen
A. Haenel, Studien. I. 16