Fünftes und Schlusskapitel. 947
spricht. Aber allerdings ist die Grenze des verfassungsmässig
Zulässigen in einzelnen Formulirungen weit ausgedehnt und
sie ist kaum noch innegehalten, wenn der Anschluss der hes-
sischen Division an das 11. Armeekorps „bis zur anderwei-
tigen Verständigung“ und wenn für eine Dislokation der hes-
sischen und königlich sächsischen Truppen ein vorhergehendes
„ Vernehmen‘“ mit dem Kontingentsherrn stipulirt ist.
Die Grenze wurde zweifellos überschritten, als eine Reihe
norddeutscher Militärkonventionen, entgegen der Vorschrift
des 62. Verfassungsartikels, den betreffenden Staaten einen
zeitweiligen Erlass an der dem Kaiser für den Kopf der Frie-
densstärke des Heeres mit 225 Thalern zur Verfügung zu stel-
lenden Summe einräumten. Die Ueberschreitung wurde ge-
heilt durch die Genehmigung der Vertragsklauseln seiten der
gesetzgebenden Faktoren des Reiches, die Zustimmung einer
Zweidrittelmajorität des Bundesrathes vorausgesetzt.
Eine solche Heilung hat nicht stattgefunden in Bezug
auf eine Reihe von Bestimmungen, welche die Konvention
mit dem Königreich Sachsen enthält: die Mittheilung der er-
gehenden preussischen Reglements von Fürst zu Fürst anstatt
durch den Militärausschuss an die Kontingentskommandeure
zur Nachachtung — Konvention a. 2 entgegen Reichsverfas-
sung Artikel 63 Alinea 5 —, die Zusicherung einer Vertretung
Sachsens in dem Militärausschuss anstatt des freien Ernen-
nungsrechtes des Kaisers — K. a.2entgegen RV.a.8al.2—,
die Mittheilung der bei den Inspektionen bemerkten Mängel
an den König von Sachsen zur Abstellung anstatt der direkten
Anordnung des Kaisers behufs dieser Abstellung — K.a. 4.
entgegen RV. a. 63 al.3 —, das Vorschlagsrecht des Königs
£etc.: „Ueber die Dislokation vorgedachter Regimenter wird S. M.
der König von Preussen als Bundesfeldherr das Nähere be-
stimmen; jedoch wollen Allerhöchstdieselben unter der Voraussetzung,
dass innerhalb der Ländergebiete der mitkontrabirenden Staaten für eine
garnisonmässige Unterbringung der Truppen entsprechend Sorge getragen
wird, dieselben dort belassen und von dem bundesverfassungsmäs-
sig zustehenden Dislokationsrecht nur vorübergehend und insofern
Gebrauch machen, als militärische oder politische Rücksichten dies bedingen. *