268 Fünftes und Schlusskapitel.
keit einer solchen Zuspitzung des Rechtsstreites lässt sich
leicht exemplifiziren — fehlt es an jeder verfassungsmässigen
Grundlage.
In einer Mehrzahl von Fällen wird die behauptete Rechts-
verletzung auf dem Beschlusse eben des Bundesratbes beruhn,
der über die Verfassungsmässigkeit desselben auf Berufung
nochmals entscheiden soll.
In allen Fällen entscheidet eine Behörde, deren Zusam-
mensetzung und deren wesentliche Aufgaben ihren Beschlüssen
diejenigen Garantien der Unabhängigkeit und der-Beschrän-
kung auf rechtliche Gesichtspunkte nicht gewähren können
und regelmässig auch nicht gewähren sollen, welche die Natur
des Rechtsspruches fordert.
Unter allen Umständen fehlt es an der gesetzlichen Ord-
nung der Formen, in welchen der Rechtsstreit zu verhandeln
und zu entscheiden ist. Und wenn sich hierauf die geheimen
Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundesrathes er-
strecken sollten, so unterliegen sie doch jeder Zeit der Abän-
derung durch einfache Majoritätsbeschlüsse. _
Die Frage nach dem Rechtsschutz der Einzelstaaten führt
zu einer klaffenden Lücke in dem Verfassungsrecht des
deutschen Reiches. Sie nährt jene Tendenz, welche die
Durchführung der Kompetenzen des Reiches in möglichst um-
fassendem Umfang in die Hand der Einzelstaaten zu legen
sucht. An ihr wird sich eintretenden Falles die Staaten-
rechtstheorie nach dem Muster Calhoun’s den Schein der Ge-
rechtigkeit erborgen.
Die Frage nach der Ausfüllung dieser Lücke wird recht-
zeitig erhoben werden müssen. Sie kann ihre Beantwortung
nicht finden auf Grund einer einseitigen Betrachtung über
den Rechtsschutz der Staatenrechte. Ihre vollgültige Beant-
wortung erfordert weitere Studien über den Bestand, über die
Gestalt und über das ausreichende Mass derjenigen Rechte,
welche die Reichsverfassung dem deutschen Reiche zur Durch-
führung seiner Kompetenzen gewährt 18.
188, hierüber insbesondere Westerkamp, Ueber die Reichsverfas-