34 Erste®Kapitel:
Der Vertrag gewinnt die nämliche umfassende Bedeutung,
wie im Privatrechte, in der allgemeinen Ordnung des Völker-
rechtes, in welcher sich die einzelnen Staaten als gleichbe-
rechtigte Suveränetäten gegenüberstehn. Aber es ist der
nämliche Irrthum, wie im Privatrechte, wenn man die durch
völkerrechtliche Verträge begründeten Rechtsverhältnisse
lediglich betrachtet als vertragsmässige d. h. als den obliga-
torischen des Privatrechtes analoge Rechtsverhältnisse, welche
sich nur dadurch unterscheiden, dass hier ein vermögensrecht-
liches dort ein politisches Interesse obwaltet. Der äusserste
Punkt. wird gebildet durch die rechtliche Möglichkeit, dass
durch den völkerrechtlichen Vertrag der eine Staat dem andern
einverleibt und damit ein lediglich staatsrechtliches Herr-
schaftsverhältniss begründet wird. Auf der entgegengesetzten
Seite, aber noch ausserhalb eines nur vertragsmässigen
Verhältnisses steht es, wenn ein einzelnes Hoheitsrecht von
Seiten des einen Staates nicht nur zur Ausübung, sondern zu
eigenem Rechte an den andern Staat vertragsmässig abgetre-
ten wird, wie dies bei sog. Staatsservituten der Fall sein kann.
Dazwischen liegen durch Vertrag begründete Herrschaftsver-
hältnisse, welche seit J. J. Moser für den verpflichteten Staat
als Halbsuveränetät bezeichnet werden. Dazwischen liegt
endlich die rechtliche Möglichkeit, dass sich mehre Staaten
durch Vertrag zu einem -korporativen Verbande vereinigen,
der ein Verhältniss der Ueber- und Unterordnung zwischen der
Gesammtheit und den einzelnen Gliederstaaten begründet. —
An der Funktion des Vertrages, Entstehungsgrund ver-
schiedenartiger Rechtsverhältnisse zu sein, kann man noch
eine andere und besondere Seite unterscheiden unter dem
Gesichtspunkte, dass er zugleich für das zu begründende
Rechtsverhältniss die Normen schafft, nach welchen sich die
Staate, wo die Rechtsverbindlichkeit auch der paktirten Verfassung der Sank -
tion des Monarchen entstammt, bedeutet die Paktirung nicht mehr als die
rechtlich anerkannte Mitwirkung der zur Vertretung Öffentlicher Interessen
und Rechte Berufenen an der Willensbildung des Staates, in der Form der
Zustimmung zu einer Gesetzesvorlage.