38 Erstes Kapitel.
dies vertragsmässig zugesichert haben, dergestalt dass in
dieser Gestaltung eine Veränderung jener Normen nur im
Wege des Vertrages der Betheiligten erfolgen kann.
Die rechtliche Entstehungsform deckt hiernach nicht den
Unterschied zwischen Vertragsbestimmungen einerseits und
Statuten und Gesetzen andererseitg. Beide sind ihrer innern
Natur nach verschieden und die Verschiedenheit der Entsteh-
ungsform ist auf diese ohne Einfluss. \
Statut und Gesetz sind die von einer Gesammtheit als
solcher gewollten Normen, sie sind Gemeinwillen. Ihre
Rechtsverbindlichkeit st bedingt durch die Existenz und durch
den Umfang eines Herrschaftsverhältnisses, welches rechtliche
Anerkennung gefunden hat — Herrschaftsverhältniss genom-
men in dem Sinne jedes Verhältnisses der Ueber- und Unter-
ordnung, der organischen Gliederung zu einer Gesammtobeit.
Vertragsbestimmungen dagegen sind Normen, welche von
mehreren einzelnen Personen als solchen, zwar übereinstim-
mend aber in ihrer rechtlichen Gleichstellung gegen einander
gewollt’sind. Ihre Rechtsverbindlyhkeit kann sich nur auf
solche Lebensverhältnisse erstrecken, in welchen dem indivi-
duellen Wollen der einzelnen Personen als solcher rechtliche
Wirksamkeit beigemessen wird 38.
Nach dem Allen ist ein Schluss von dem vertragsmässigen
Entstehungsgrund auf die vertragsmässige (obligatorische)
Natur des begründeten Rechtsverhältnisses selbst und der das-
selbe bestimmenden Normen nicht statthaft. Die innere Natur
derselben wird hiervon unabhängig und selbständig durch die
hervortretenden begrifflichen Merkmale bestimmt. Eine Ver-
tragsfreiheit der Parteien, welche die wesentlichen Merkmale
eines von einem vertragsmässigen verschiedenartigen Rechts-
verhältnisses und einer von der Vertragsbestimmung verschie-
denartigen Norm wollen und dieselbe doch als vertragsmässige
38 J)as sind unorganische Lebensverhältnisse oder einzelne durch das
positive Recht individualisirte Beziehungen in einem organischen Lebensver-
hältnisse.