Allgemeine Erörterungen. 39
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betrachten lassen könnte, ist in jeder Rechtsordnung sei es des
Privatrechtes oder des Völkerrechtes ein Unding.
Die Frage nach der vertragsmässigen Natur der Reichs-
verfassung und des dadurch begründeten rechtlichen Gesammt-
verhältnisses kann daher nicht durch die Vorfrage gelöst wer-
den, ob ihr rechtlicher Entstehungsgrund Vertrag sei oder ein
Anderes, sondern nur durch die Erkennung der wesentlichen
Merkmale, welche dem begründeten politischen Gemeinwesen
zukommen. Und hieran denn knüpft sich die weitere Vorfrage
nach dem Wesen des Bundesstaates.
. I. Staatenbund — Bundesstaat.
Trotz aller Verschiedenheit der demokratischen und mo-
narchischen Regierungsform, der Kompetenzen des Bundes
und der Einzelstaaten, der Organisation der Centralgewalt
und ihrer Behörden bleibt zwischen der politischen Gestaltung
Nordamerikas, der Schweiz und Deutschlands eine schlagende
Uebereinstimmung. Sie beruht auf der Thatsache, dass in
allen drei Ländern politische Gemeinwesen existiren, welche
innerhalb eines bestimmten Wirkungskreises nach der Weise
von Staaten und nicht blos nach der Weise von Selbstverwal-
tungskörpern Aufgaben des Staates erfüllen, während über
denselben ein politisches Gemeinwesen wiederum für Aufgaben
des Staates. und wiederum in der Weise eines Staates seine
Wirksamkeit entfaltet.
Es wird in allen Unterschieden als wissenschaftliches Be-
dürfniss hervortreten, für diese übereinstimmenden Erschei-
nungen einen politischen Musterbegriff aufzustellen.
Nach diesem Musterbegriff haben wir nichterst zu suchen.
Er ist gleichzeitig mit seiner ersten thatsächlichen Gestaltung
im modernen Rechtsstaat gefunden worden durch den „Fede-
ralist‘3®, das unerreichte Muster juristisch-politischer Publi-
zistik. Er ist gebildet worden durch die Abgrenzung des Be-
39 Insbesondere Nr. 9, 15 und 16 — sämmtliche von Hamilton —,
Nr.20 — von Hamilton und Madison gemeinschaftlich, nach Angabe der
sorgfältigen Ausgate John C. Hamilton’s, Philadelphia, 1871.