Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

54 Erstes Kapitel. 
die Erledigung von Streitigkeiten an, welche zwischen ver- 
schiedenen Bundesstaaten entstehen. Von dem Landesgesetze 
eines Staates kann aber nur soweit die Rede sein, als der 
rechtlich zu bestimmende Gegenstand in den Herrschaftsbe- 
reich des einzelnen Staates fällt. Was darüber hinaus, was 
die Coexistenz mehrerer Staaten voraussetzt, kann in Folge- 
richtigkeit dieser Auffassung nur Gegenstand des völkerrecht- 
lichen Vertrages sein, auch dann, wenn dieser nach Landes- 
verfassungsrecht der Zustimmung der Legislatur bedarf. End- 
lich — die Bestimmungen der Reichsverfassung, insoweit sie 
ihre Wirksamkeit innerhalb des Einzelstaates entfalten, können 
nicht als gleichmässiges und übereinstimmendes Landesgesetz 
aller Einzelstaaten gelten. Es kann nicht Landesgesetz aller 
übrigen Staaten sein, dass die Hansestädte eine Freihafen- 
stellung einnehmen, es kann nicht Landesgesetz der nord- 
deutschen Staaten sein, dass die süddeutschen Staaten von ge- 
wissen Reichskompetenzen eximirt sind, es kann nicht bai- 
risches Landesgesetz sein, dass der Kaiser das Dislokationsrecht 
in allen übrigen Staaten besitzt. Jene Auffassung führt daher 
nur zu dem Resultate, dass die Reichsverfassung zum Theil 
ausschliesslich Vertrag, zum andern Theil auch Landesgesetz 
sei, aber ein Landesgesetz, welches in den verschiedenen 
Staaten einen verschiedenen Inhalt hat. Sie hat lediglich den 
Werth der Behauptung, dass die Reichsverfassung, die im Art. 
74 die Verfassung des deutschen Reiches mit der Verfassung 
des Einzelstaates als gleichwerthig parallelisirt, rechtlich das 
nicht sein kann, was sie offenbar sein will: ein einheitliches 
Gesetz für ganz Deutschland. 
4. Wenn auch das Reich thatsächlich in eine direkte Be- 
ziehung zu den Unterthanen tritt, so ist der juristische Grund 
der hieraus entstehenden Rechte und Pflichten doch nicht ein 
der Suveränetät der Einzelstaaten entsprechendes Recht des 
Reiches über die Unterthanen, sondern lediglich die Unter- 
werfung derselben unter die Staatssuveränetät 53. 
55>Seydel, Commentar pag. 43.
	        
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