58 Erstes Kapitel.
als ein Gedachtes qualifizirt, dem nur die Methode der juris-
tischen Technik ein künstliches Leben einhaucht, welche sie
mit dem Allen als etwas Willkürliches behandelt, dem das
objektive Recht nach Gründen der Zweckmässigkeit und
Bequemlichkeit seine Anerkennung zollt oder versagt.
Das ist ein schwer begreiflicher Irrthum in doppelter
Rücksicht.
Es ist ein Irrthum, weil eine Verkennung der psycho-
logischen und ethischen Natur des Menschen, als eines auf die
Ergänzung in der Gemeinschaft angelegten Wesens,
Es ist ein Irrthum, weil eine Verkennung der Aufgabe
des Rechtes, welches die für die äussere Welt wirksamen
Willensbestimmungen in der Gemeinschaft ordnen soll — eine
Ordnung die nicht bestehen kann in der Verleugnung und
Unterdrückung solcher, thatsächlich wirksamer Willensbil-
dungen, ohne welche der Mensch und die menschliche Ge-
meinschaft ihre höchsten und wesentlichsten, sittlichen Funk-
tionen nicht erfüllen können.
Der Gemeinwille als ein Anderes denn der individuelle
Wille und denn die zufällig übereinstimmende Summe einer
Anzahl individueller Willen ist aber keine Fiktion, kein Ge-
dachtes, kein Willkürliches, sondern eine machtvoll herr-
schende Thatsache.
Es ist Sache der Psychologie und Ethik, der Anthropologie
im weitern Sinn, den Nachweis zu führen, dass die mensch-
liche Natur nicht nur die Fähigkeit, sondern die Nöthigung in
sich trägt, sich zu sittlichen Ideen oder Lebenszwecken zu be-
stimmen, deren mögliche Verwirklichung über die Grenzen
individueller Wirksamkeit hinaus liegt. Diese Ideen oder
Lebenszwecke sind nicht dem individuellen Willen unter-
—
60 Eine kritische Beleuchtung der Literatur bei Zitelmann, Begriff
und Wesen der s. g. juristischen Personen. Leipzig, 1873. Die eigene
Lösung der Frage scheitert an der grossen Weite des zu Grunde gelegten
Prinzipes der Einheit in der Vielheif, obwohl es ganz richtig vermieden wurde,
die Stiftung und die Korporation als derselben rechtlichen Kategorie ange-
hörig zu betrachten.