Allgemeine Erörterungen. 61
Unzulänglichkeit in einer höhern Gemeinschaft so gut unter-
worfen, wie dieser,
Kein der Natur des Rechtes und seiner Technik entsprin-
gendes Hinderniss besteht, um dem Bundesstaate oder Staaten-
bunde juristische Persönlichkeit beizulegen, wie dem einzelnen
Staate. Es ist eine thatsächliche Frage, ob ein soleher Bund
die Merkmale einer Gesammtheit an sich trägt, ob er mit
Organen, welche ihn zu einem von dem der Einzelstaaten un-
terschiedenen Wollen und Handeln befähigen, ausgerüstet ist,
ob die für ihn und seine Mitglieder rechtsverbindlichen Normen
die Absicht bekunden, ihn als selbständiges Subjekt von
Rechten und Pflichten hinzustellen.
Dass dies aber der Fall sei bei dem deutschen Reiche
und seiner Verfassung — soviel hat der von uns aufgemachte
status causae et controversiae erwiesen. Und damit besteht
von dieser Seite der Betrachtung aus nicht nur kein Hinder-
niss, sondern die Nöthigung das Reich als Rechtspersönlich-
keitindemnämlichen Sinne aufzufassen, wieden einzelnen Staat.
Wir sind auf keinen Fall berechtigt, das deutsche Reich
und seine Verfassung in ihrer Totalität als die Vertragsbe-
stimmung für &in vertragsmässiges Verhältniss der einzelnen
Staaten unter einander aufzufassen. Die Frage nach den ver-
tragsmässigen Elementen der deutschen Reichsverfassung
kann, wenn überhaupt, nur in der von uns festgestellten Be-
schränkung aufgeworfen werden. |
II. Auch zugegeben, dass wir berechtigt und genöthigt
sind, das Reich als ein politisches Gemeinwesen mit selbstän-
diger Rechtspersönlichkeit aufzufassen, so ist damit noch nicht
entschieden, ob und in welchem Sinne wir demselben die Na-
tur des Staates beimessen können.
Sagen wir, imnahen Anschlusse an Aristoteles 62, der Staat
ist die zum Selbstbewusstsein und damit zur Willens- und
Handlungsfähigkeit erhobene vollkommene und selbstgenug-
same Lebensgemeinschaft eines Volkes. Vollkommen in dem
62 Pol. I, 2. III, 9. VII, 8. (Bekker).