Die Entstehung des deutschen Reiches. 13
verbündeten Regierungen und dem Reichstage verzichtet, dass
der Reichstag im Verhältniss zu den Regierungen auf eine
lediglich berathende Funktion herabgedrückt worden sei. So-
lange die Bestimmungen des Augustbündnisses über die „Mit-
wirkung“ des Parlamentes, tiber die Vorlagen des Verfassungs-
entwurfes zur „Berathung und Vereinbarung“ nicht auf ver-
tragsmässigem Wege beseitigt waren, so lange hatte keine
Regierung das Recht weder gegenüber den andern Regie-
rungen noch gegenüber den Einzellegislaturen zu verlangen,
dass eine Verfassung, welche an irgend einem Punkte die
Vereinbarung mit dem Reichstage nicht gesucht oder nicht
gefunden hatte, als die im Augustbündniss vorgesehne Ver-
fassung anerkannt werde. Umgekehrt — keine Regierung
und keine Einzellegislatur war verpflichtet, eine solche Aner-
kennung zu leisten? In diesem Sinne blieb der Reichstag
nach wie vor, wenn wir nicht sagen wollen ein verfassungs-
gebender, doch ein verfassungsvereinbarender.
Nur bei dieser Auffassung ? ist es erklärlich, dass die ver-
3 Die Erklärung des mecklenburgischen Landtages: „dass nunmehr
(nach den Beschlüssen des preussischen Landtages) in dem Art. V. des Bünd-
nissvertrages die Worte „und Vereinbarung“ bedeutungslos geworden sind“
— Staatsarchiv No. 2420 — war eineirrthümliche und sie, wie andere Vorbe-
halte bei Genehmigung des Bündnissvertrages, wurden im Landtagsabschied
als unmassgebliche Wünsche bezeichnet — ib. No. 2421 —.
4 Obige Auffassung tritt im Kommissionsbericht und in der Debatte des
preussischen Abgeordnetenhauses über den Entwurf des Wahlgesetzes für den
norddeutschen Bund nicht präzis hervor, aber sie liegt den Aeusserungen Bis-
marck’s, John- Labiau’s, des Referenten Twesten zu Grunde (Sten.
Ber. des Abgeordnetenhauses Session 1866—67. pag. 308, 316, 322). Sie
ist ganz korrekt ausgesprochen in dem Berichte des Herrenhauses über
das Wahlgesetz (Anlagen zu den Sten. Ber. des Herrenhauses 1866—67.
No. 17) und ebenso in den Verhandlungen des konstituirenden norddeutschen
Reichstages durch Scherer und Twesten (Sten. Ber. pag. 690. 691),
von letzterm auch in den Verhandlungen des preussischen Abgeordneten-
hauses über Annahme der norddeutschen Bundesverfassung (Mai 1867. Sten.
Ber. pag. 24). Vor allen Dingen liegt diese Auffassung der Thronrede vom
24. Februar 1867 zu Grunde in dem Passus: „— Die Gefahren —, welche
für die friedliche und gesetzmässige Durchführung des begonnenen Werkes