76 Zweites Kapitel.
weder direkt durch Zustimmung zu dem Bündnissvertrag oder
indirekt durch Mitwirkung zu dem Erlasse des Wahlgesetzes
für den konstituirenden Reichstag geleistet® —, so konnte die
fernere Mitwirkung der Landesvertretungen nur eine doppelte
rechtliche Bedeutung für sich in Anspruch nehmen.
Zunächst die Bedeutung der Prüfung und Anerkennung,
dass die vorgelegte Bundesverfassung nach ihrem Inhalte und
nach der Form ihrer Entstehung den durch das Augustbünd-
niss begründeten Pflichten und Rechten entspreche.
Sodann die negative Funktion, diejenigen Bestimmungen
der Verfassung und der Gesetze der Einzelstaaten auf
verfassungsmässigem Wege ausser Wirksamkeit zu setzen,
welche den in Aussicht genommenen unmittelbaren Wirkungen
und Ermächtigungen des norddeutschen Bundes und seiner
Verfassung im Wege standen”.
Die landesverfassungsmässige Mitwirkung der Einzel-
legislaturen konnte nicht die Bundesverfassung in ihrer Tota-
lität zum Inhalte irgend eines Landesgesetzes machen, Denn
dieser Inhalt hatte die Coexistenz mehrer Staaten zur wesent-
lichen Voraussetzung. Die rechtliche Regelung eines solchen
Coexistenzverhältnisses liegt aber über den Bereich des Herr-
schaftsverhältnisses jedes einzelnen Staates und damit irgend
eines Landesgesetzes hinaus. Der norddeutsche Bund und
seine Verfassung konnte darum auch nicht durch eine Summe
übereinstimmender Partikulargesetze zur thatsächlichen und
rechtlichen Existenz gelangen.
Dieselbe hatte vielmehr eine doppelte Voraussetzung.
Es mussten diejenigen Organe des Wollens und Handelns,
6 Nur Hessen oktroyirte das Wahlgesetz als Nothverordnung. Ohne
ständische Zustimmung scheint es nach den Abdrucken bei Gl aser, Archiv,
Heft 2, auch erlassen zu sein in Anhalt, Reussä. undj. L., Schaumburg-Lippe.
” Die Schluss-Thronrede vom 27. April 1867 vindizirt den Einzellegisla-
turen nur die ‚‚verfassungsmässige Anerkennung‘‘ der Bundesverfassung.
Die preussische Thronrede vom 24. Juni 1867 sagt: Durch die Zustimmung
des preussischen Landtages zur Errichtung des norddeutschen Bundes sind
nunmehr alle Vorbedingungen für dieGeltung der Verfassung desselben
in Preussen erfüllt.‘