Die Entstehung des deutschen Reiches. 81
menfassung im norddeutschen Bund war derselbe weder ver-
fassungsmässig berechtigt noch in diesem besondern Fall an-
derweitig legitimirt. Die verfassungsmässige Genehmigung
dieses Vertrages ist ebenso, wie die des badisch-hessischen
und würtembergischen Vertrages, ausschliesslich durch die
legislatiren Organe des norddeutschen Bundes einerseits und
der einzelnen süddeutschen Staaten andererseits, seine Rati-
fikation ausschliesslich vom norddeutschen Bundespräsidium
einerseits und den einzelnen süddeutschen Regierungen an-
dererseits erfolgt.
Damit ist jeder Deduktion der Boden entzogen, welche
versuchen würde, auf Grund der vertragsmässigen Entstehung
des deutschen Reiches und seiner Verfassung nicht ein ledig-
lich verfassungsmässiges, sondern ein vertragsmässiges Vier-
hältniss der einzelnen norddeutschen Staaten als solcher
zu den süddeutschen Staaten zu gewinnen !!. Der vertrags-
mässige, völkerrechtliche Entstehungsgrund besteht nur im
Verhältniss des norddeutschen Bundes als Gesammtheit zu
den einzelnen süddeutschen Staaten.
Damit ist aber zugleich über die Absicht und Wirkung
der völkerrechtlichen Verfassungsverträge entschieden.
Allerdings bestand die Möglichkeit für den vorliegenden
Zweck und unter den obwaltenden ausserordentlichen Um-
ständen von der Existenz des norddeutschen Bundes, seiner
Verfassung und speziell ihres Artikel 79 abzusehn und in Folge
dessen den Abschluss der Verfassungsverträge den sämmt-
lichen Einzelstaaten, vielleicht in Verbindung mit einem
deutschen Parlamente anheimzugeben. Dann würden sich
das deutsche Reich und seine Verfassung als neue, formell
ıı Meyer, Erörterungen pag.62: ‚‚Da aber diese Vereinbarungen nicht
die Gründung des Bundes, sondern den Eintritt der süddeutschen Staaten in
denselben zum Gegenstande gehabt haben, so darf aus dem Umstande, dass
die frühern Mitglieder nicht einzeln aufgezählt, sondern unter einen Kollektiv-
begriff zusammengefasst sind, nicht gefolgert werden, dass nur unter den im
Eingang ausdrücklich. erwähnten Theilen ein vertragsmässiges Verhältniss
existire. “
A. Haenel, Studien I. 6