118 $ 3. Der Begriff des Rechtssatzes. [22
kreten Rechtsverhältnisses, in der Anerkennung, Versagung,
Fixirung eines Rechtsanspruches, also in der Aufstellung eines
konkreten Rechtssatzes.. Gesetze und Entscheidungen
haben demnach ein gemeinsames Kriterium: sie ent-
halten Rechtssätze — —.“
Allein das Wort Rechtssatz bildet in dieser Deduktion
nur scheinbar und täuschend einen gemeinsamen Oberbegriff
oder ein gemeinsames Kriterium. In Wahrheit enthält das-
selbe in den beiden Anwendungsfällen sowohl in seiner ersten
als in seiner zweiten Sylbe nach der eigenen Erklärung La-
band’s etwas der Sache nach vollkommen Verschiedenes. Die
Sylbe „Recht“ bezeichnet das einemal — im Falle des Ge-
setzes — Rechtsregel, objektives Recht, das anderemal — im
Falle des Rechtsspruches — Rechtsanspruch, subjektives Recht.
Die Sylbe „Satz“ bedeutet das einemal — im Falle des Ge-
setzes — verbindliche Anordnung, dass etwas sein oder nicht
sein soll, das anderemal — im Falle des Rechtsspruches —
Aberkennung oder Zuerkennung, d. h. ein verbindliches Ur-
theil, dass etwas sei oder nicht sei.
Kurz — mit dem Worte „Rechtssatz“ im Schlusssatze La-
band’s ist nicht, wie er irrthümlich meint, ein beiden Er-
scheinungen umfassender Oberbegriff, nicht ein gemeinsames
Kriterium gewonnen, sondern nur eine Zweideutigkeit, die in
dem einen Falle der Anwendung das Eine und in dem an-
dern Falle das Andere besagt. Homonymie, wenn ich nicht
irre, nennen die Logiker solche Fehlschlüsse. Der Versuch
also, das Wort Rechtssatz auch auf das Gebiet des subjekti-
ven Rechtes, wenn auch nur in der Beschränkung auf den
Rechtsspruch auszudehnen, ist misslungen.
Es bleibt endgültig bei dem Rathe Thöl’s — Einleitung
in das deutsche Privatrecht, pag. 96 —: „Man denke und sage,
wenn man Klarheit will, nie Recht, sondern Rechtssatz.“
Denn das objektive Recht ist die Gesammtheit der
Rechtssätze und Rechtssätze sind im Geiste unserer
Sprache immer nur die grammatischen Darstellungs-
mittel des objektiven Rechtes.