120 $ 3. Der Begriff des Rechtssatzes. [24
torität abgeht, um ihnen die willensbestimmende Kraft für die
Gemeinschaft zu erneuern. Alles Gesetz, alles objektive Recht
ist nur wirklich als wirksamer Inhalt des Wollens der an der
Rechtsgemeinschaft Betheiligten; als solcher aber ist es nicht
eine Abstraktion, sondern eine machtvolle Realität.
Eine tiefere Begründung wird weiterhin sich an die Frage
knüpfen, an wen denn die Imperative: „Hiernach sollt ihr
euch richten!“ ergehn, welche allem objektiven Rechte auch
in seinen berechtigenden und ermächtigenden Bestimmungen
zu Grunde liegen. Diese Imperative richten sich in der iso-
lirten Betrachtung des einzelnen Rechtssatzes allerdings
immer nur an diejenigen, die es seinem besondern Inhalte
nach angeht, die an dem vorausgesetzten besondern That-
bestande betheiligt sind, mag diese Betheiligung auch nur in
den möglichen Hemmungen oder Störungen bestehn, die sie
verursachen können, oder auch nur in einem amtlichen, auf
das eigene Interesse nicht gegründeten Berufe. Allein jeder
Rechtssatz hat einen über diesen Kreis seiner Wirksamkeit
hinausgehende Bedeutung. Das Recht ist und leistet, was es
sein und leisten soll nur dann, wenn der Einzelne, indem er
die Rechtssätze, die ihn angehn, befolgt, zugleich die Bürg-
schaft gewinnt, dass alle Andern die Rechtssätze, die sie ihrer-
seits angehn, zu ihrem Theile befolgen, nur dann, weun ihrer-
seits auch alle Andern die gesicherte Voraussetzung machen
können, dass der Einzelne das ihn zunächst treffende Recht
anerkennt. Alle Imperative, alle Sätze des Rechtes bedingen
sich gegenseitig. Jeder einzelne derselben ist zugleich Be-
standtheil und Manifestation der allgemeinen Rechtsordnung;
er interessirt nicht nur diejenigen, die es angeht, sondern alle
an der Rechtsordnung Betheiligtee Es ist das nichts als ein
anderer Ausdruck für die psychologische Thatsache, dass alles
Recht, sei es vom Staate oder sonstwie gesetzt, seinen letzten
Grund findet in der Überzeugung, von seiner Nothwendig-
keit, in der „Anerkennung“ desselben seitens Aller an der
Rechtsgemeinschaft Betheiligten, mag diese Anerkennung in-
stinktiv erfasst oder besonnen durchdacht sein, mag sie frei