122 & 3. Der Begriff des Rechtssatzes. [26
den Grund, die wirkende Kraft abgiebt, um mit einem be-
stimmten Thatbestand bestimmte Rechte und Pflichten zu ver-
knüpfen, um diese an jenem entstehn und bestehn, sich ver-
ändern und vergehn zu lassen. In diesem Sinne muss man
sagen, dass es das objektive Recht allein und ausschliesslich
ist, welches subjektive Rechte und Pflichten begründet,
gleichgültig ob der vorausgesetzte Thatbestand vom Willen
der Betheiligten unabhängig oder durch denselben herbei-
geführt ist. Wenn man sagt, dass Rechtsgeschäfte subjektive
Rechte und Pflichten begründen, so nimmt man hier das
Wort in einem ganz andern Sinne. Denn Rechtsgeschäfte
begründen immer nur den Thatbestand, nämlich das Wol-
len bestimmter Wirkungen, welcher erst durch das objektive
Recht rechtlich qualifizirt wird, an welchen erst dieses die
beabsichtigten Wirkungen als Rechte und Pflichten knüpft.
So kann man denn mit genügender Sicherheit sagen:
Rechtssätze sind Sätze, welche dazu bestimmt sind, an einem
vorausgesetzten Thatbestand subjektive Rechte und Pflichten
zu begründen oder mit einem gewissen Thatbestand gewisse
Rechte und Pflichten zu verknüpfen.
Ich sage ausdrücklich: „welche dazu bestimmt sind“
welche dem bezeichneten Zwecke dienen.
Allerdings in einem eminenten Sinne sind Rechtssätze
nur solche, welche den vorausgesetzten Thatbestand und die
Rechtsfolgen und die Verknüpfungsweise beider zugleich
feststellen. Solche vollständige oder — in diesem Sinne —
selbständige Rechtssätze sind es — und auch diese nur
relativ —, wenn das Strafgesetz sagt:
„Wer vorsätzlich, aber nicht mit Überlegung einen Men-
schen tödtet, wird mit Zuchthaus bestraft,“
oder wenn das bürgerliche Gesetzbuch bestimmt:
„Ein Deutscher, welcher verschollen ist, kann durch Ur-
theil für todt erklärt werden.“
Allein die Technik des Rechtes ist schlechterdings nicht im
Stande, nur in vollständigen Rechtssätzen zu sprechen. Sie
ist vielmehr genöthigt, in einer unendlichen Vielheit von ein-