Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

47] 8 5. Das konstitutionelle Gesetz. 143 
decret, acte de magistrature. Aber es kommt ihm nicht in 
den Sinn, nunmehr alle Beschlüsse des suveränen Volkes als 
Gesetze zu bezeichnen und sie als eine Form theils für Ge- 
setze im eigentlichen Sinn, theils für Dekrete zu betrachten. 
Nichts ist falscher als die Behauptung, dass Rousseau „die 
Möglichkeit blos formeller Gesetze klar erkannt habe“, wie 
dies im Sinne der modernen Doktrin gesagt wird. 
Nur unter voller Verkennung der konstituirenden Merk- 
male der Streitfrage geschieht es daher, wenn Jellinek — 
Gesetz und Verordnung, pag. 35fl. — es unternimmt, eine 
Stütze für seine Lehre vom Gesetze im formellen und mate- 
riellen Sinne in der Geschichte der Rechtsphilosophie von 
Plato und Aristoteles an bis zu Rousseau hinauf zu ent- 
decken. Und derselbe Vorwurf trifft Laband, wenn er — 
Staatsrecht, 2. Aufl., I, 566 — meint, „schon vor der Ein- 
führung der konstitutionellen Verfassungsform war der „Weg 
der Gesetzgebung“ nicht beschränkt auf die Regelung der 
Rechtsordnung und nicht für dieselbe charakteristisch“. 
Nein — es ist und bleibt die Voraussetzung für die 
ganze vorliegende Streitfrage, dass das „Gesetz“ die allgemeine 
Bedeutung jedes Beschlusses der suveränen Staatsgewalt nicht 
hat oder, wo es sie hatte, dass das „Gesetz“ diese weite Be- 
deutung insoweit abstreift, um fortan eine spezifische Form 
der Willensbildung der suveränen Staatsorgane zu bezeichnen 
und zwar im Rechtssinne, als Bedingung der rechtlichen Gültig- 
keit und Verbindlichkeit irgendwie bestimmter staatlicher Akte. 
Diese Voraussetzung und nicht blos, wie Laband 
meint, die „Veranlassung“ der Streitfrage gewinnt erst durch 
die konstitutionelle Verfassung ihre positiv- rechtliche 
Grundlage. 
Auf dem Kontinente geschieht dies zuerst durch die 
französische Verfassung von 1791. Sie gab le nom et 
Pintitule de lois denjenigen Staatsakten, welche von dem corps 
legislatif in den fest vorgeschriebenen Formen als decret beschlos- 
sen waren und die Sanktion des Königs in bestimmter schrift- 
licher Form entweder erlangt hatten oder, wenn der König
	        
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