55] $ 6. Die Form der gesetzgeberischen Willensbildung. 151
Volksvertretung nicht nur eine Bedingung, nicht nur ein hem-
mendes oder förderndes Motiv für die Willensbestimmung je-
ner darstellt. Vielmehr sind hier, an diesem Stadium der
Gesetzgebung beide konstitutionelle Organe zu inhaltlich
gleichem Rechte betheiligt, dergestalt dass die Willensbildung
keines von beiden als das nur beschränkende oder als das
nur beschränkte Recht gilt, sondern beide in gleicher recht-
licher Kraft sich gegenseitig bedingen. Denn das gerade ist
„Übereinstimmung“, ist „Gemeinschaft“ im Gegensatz zu der
„Zustimmung“, die nur Beeinflussung und Schranke für einen
die beabsichtigte Wirkung immer nur allein erzeugenden
Willen ist.
Hieran, an der verfassungsmässigen Gemeinschaft der Ge-
setzgebung ändert auch die „Sanktion“ des Staatsoberhauptes
Nichts, gleichgiltig ob diese Sanktion, wie in Preussen, mit
der Promulgation und Publikation zu Einem Akte verschmilzt
d. h. nur in dieser Form mit rechtlicher Relevanz hervor-
tritt oder ob dieselbe einen rechtlich distincten Akt bildet,
wie in den französischen Charten von 1814 und 1830,
in der belgischen Verfassung und wie auch auf Grund
des a 7 No. 1 in der deutschen Reichsverfassung. Denn nie-
mals hat die Sanktion in einer dieser Verfassungen den sinn-
widrigen Sinn gehabt, nachdem die Übereinstimmung im recht-
lichen Sinne d. h. durch rechtlich relevante Erklärungen bei-
der Theile bewerkstelligt ist, dem Staatsoberhaupt noch einen
weitern seine eigene erklärte Einstimmung wiederholungsweise
bestätigenden oder sie mit seinem Veto belegenden Akt zu-
zuschreiben. Vielmehr ist die Sanktion hier nichts Anderes,
als eben jene, durch die Gemeinschaft der Gesetzgebung ge-
forderte Erklärung des Staatsoberhauptes, dass er mit den Be-
schlüssen der Volksvertretung übereinstimme. Die besondere
Hervorhebung derselben hat nur die Eine, allerdings prak-
tisch überaus gewichtige Bedeutung, dass die aus der Initia-
tive der Regierung hervorgehenden Gesetzentwürfe nur solche,
nur Vorschläge sind, nicht aber bereits eine definitive, gesetz-
geberische Willenserklärung darstellen, dass vielmehr die bin-