Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

168 8 7. Die Form des Gesetzes selbst. [72 
Und wenn hier um der Selbstverständlichkeit d. h. um 
der logischen Deduzirbarkeit willen Sätze ihrer rechtlichen 
Natur entkleidet werden, so erklärt Eisele — Unverbind- 
licher Gesetzesinhalt, Archiv für civilistische Praxis Band 69 
pag. 275 ff. — oberste Grundsätze, die der Gesetzgeber aus- 
spricht, für unverbindlichen Gesetzesinhalt.e. Nach ihm sind 
gesetzliche Sätze, welche es aussprechen, dass eine Rückbe- 
ziehung der Gesetze nicht stattfindet, dass Gesetze erst mit 
ihrer Publikation rechtsverbindlich sind, dass das spätere Ge- 
setz dem frühern derogirt keine Rechtssätze. Es sind nach 
ihm — pag. 302 — Lehrsätze, welche Rechtswahrheiten 
aussprechen. Als ob das, was einer Rechtswahrheit ent- 
spricht, nicht Inhalt des gesetzgeberischen Willens sein könnte! 
Ich meine im genauen Gegentheil: es muss dies sein. Genau 
so sehr alles das Inhalt unseres Willens ist, was wir als phy- 
sisch, logisch, ethisch nothwendig Tag für Tag vollziehn, ge- 
nau so sehr ist denn auch das, was der Gesetzgeber als der 
Vernunft entsprechend, als aus der Natur der Dinge und des 
Rechtes mit Nothwendigkeit folgend anordnet, ein Rechtssatz 
im vollen Sinne. Rechtssatz ist es darum nicht minder, weil 
der Gesetzgeber das Gegentheil vernunftgemäss nicht wollen 
kann und ist es darum um so mehr, als menschliches Wollen 
niemals nothwendig genug ist, als dass nicht ein vernunft- 
widriger Wille, voran der des Gesetzgebers das grösste Unheil 
anrichten könnte — in einem ganz andern Sinne als es Un- 
heil ist, wenn eine Vernunftwahrheit nicht als solche einge- 
sehn wird. 
Alles das sind meines Erachtens Ausschreitungen, durch 
welche die Begriffe des Rechtssatzes und damit des positiven 
Rechtes um einer Lieblingsdoktrin willen unvermerkt aufgelöst 
werden. Sie haben nur den negativen Werth, an die Tech- 
nik der Gesetzgebung in nachdrücklicher Weise die vollkom- 
men begründete Anforderung zu stellen, sich stets bewusst zu 
bleiben, dass die Darstellungsweise, welche für die Wissen- 
schaft mit ihrem eigensten Zwecke zusammenfällt, für den Ge- 
setzgeber immer nur ein Mittel zu dem Zwecke sein darf,
	        
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