75] 8 7. Die Form des Gesetzes selbst. 171
Widerspruch. Sie lassen sich in keiner Weise unter die ent-
scheidende Hauptformel: „Wir verordnen und verkünden rechts-
verbindlich“ sei es als imperativische Sätze, sei es als Deter-
minationen solcher Imperatire unterordnen und einordnen.
Die immer wiederholte Berufung auf die französische Dekla-
ration der Menschenrechte ist falsch. Diese trägt nicht die
Promulgationsformel des Gesetzes: Nous voulons et ordonnons,
sondern die ganz andere: „l’assemblee reconnait et declare“.
Hier setzt denn die andere Aufgabe der Auslegungskunst
ein, die von jeher in der Unterscheidung der dispositiven
und der enunciativen Bestandtheile des Gesetzestextes
ausgeübt worden ist. Sie hat festzustellen — und es kann
dies den mannigfachsten, die ganze juristische Technik heraus-
fordernden Schwierigkeiten unterliegen — was sich als ge-
setzgeberischer Wille darstellt und was einen solchen Willen
überhaupt nicht oder doch nur eine Absicht, die zum Willens-
beschlusse nicht herangereift ist, zum Ausdruck bringt. Aber
diese Aufgabe ist keine andere als die, den Nachweis zu füh-
ren, was denn an der Darstellung, die den Text des Gesetzes
ausmacht, die Form des Gesetzes im Sinne des positiven Rech-
tes an sich trägt oder was, als rechtlich irrelevant, aus dieser
Form herausfällt, in dieselbe weder gekleidet werden kann
noch soll. Das Ergebniss endlich ist die Aussonderung der-
jenigen Bestandtheile des Gesetzestextes, welche unter die
Form des Gesetzes fallen und darum rechtlich relevant sind,
von denjenigen Bestandtheilen des Textes, welche diese Form
nicht an sich tragen und ihr nicht eingeordnet sind und
welche eben darum rechtlich irrelevant d.h. Gesetz im Sinne
Rechtens überhaupt nicht sind.
3. Allerdings im letzten Schlusse vermag ich es nicht
zu leugnen, dass es auch unvernünftige Gesetzgeber gegeben
hat und geben wird, solange es unvernünftige Menschen giebt.
Es ist immerhin auch ein konstitutionelles Gesetz nach histo-
rischen Mustern aus andern Staatsformen, die gar nicht so
ferne liegen, denkbar, welches in aller Form bestimmt: Wir
verordnen und verkünden, Gott ist oder vielleicht auch Gott