18 Die Verfassungsentwürfe und die Verfassungen.
Der dritte Satz endlich: „dass“ — soweit der Bundesrath
mit seinen Beschlüssen in die Vollziehung kompetenzmässig
nicht eingreift — „der preussische Minister überall die
Ausführung treffen muss und dass nur unter seiner Verant-
wortlichkeit und der Verantwortlichkeit der preussischen
Regierung Verwaltungsmassregeln und Gesetze des Bundes
wirksam werden können“, also auch „dass die Verantwortlich-
keit der preussischen Minister genau dieselbe bleibt, wie
vorher.“ !
Mit diesen prinzipiellen Grundlagen der entworfenen Bun-
desverfassung — und als prinzipielle wurden sie vom Grafen
von Bismarck ausdrücklich erklärt — waren allerdings die
eingebrachten Verbesserungsanträge schlechterdings unverein-
bar. Sie wurden von den verbündeten Regierungen nicht nur
als unannehmbar, sondern als unmittelbare Gefahr für das
Scheitern des ganzen Verfassungswerkes bezeichnet. Der kon-
stituirende Reichstag fügte sich; sämmtliche Verbesserungs-
anträge wurden abgelehnt, insbesondere der Antrag von Ben-
nigsen mit der bei den schwankenden Parteiverhältnissen nicht
unbedeutenden Majorität von 140 gegen 124 Stimmen.
Es ist keine ungewöhnliche Erscheinung im parlamen-
tarıschen Leben, dass sich die Gegensätze der Parteien an
einem bestimmten Punkte in prinzipiellen Auseinandersetzungen
scheinbar unversöhnlich zuspitzen, dass die Majorität rück-
sichtslos ihre Macht braucht und doch die siegende Sache
selbst in der Meinung der Majorität tief erschüttert ist; dann
bietet sich ein anderer Punkt, an dem die soeben unterlegene
Sache in etwas anderer abgeschwächter Form und unter Ver-
meidung prinzipieller Feststellungen einen leichten Sieg ge-
! Mit den zuerst hervorgehobenen Worten reproduzirt Lasker die
Auffassung von Tielau’s und Graf Bismarck erkennt diese Auffassung
als die richtige an — Sten. Ber. pag. 391. 392. 393, vergl. noch pag.
397 und die reproduzirende Aeusserung von Sybel’s: „die preussische
Ministerverantwortlichkeit — dauert dann fort, auch in Bezug auf alle
diejenigen Amtshandlungen der preussischen Minister, welche in Bundes-
angelegenheiten vor sich gehen“ pag. 398.