192 8 9. Der Begriff der Verwaltung. [96
ganze wissenschaftliche Problem ausmacht und der den Streit
überhaupt konstituirt, den Unterschied nämlich zwischen sol-
chen Handlungen des Staates, welche die Kraft und Geltung
des „Anfanges“ haben und solchen Handlungen, welche in ir-
gend welchem Abhängigkeitsverhältniss zu jenen Initiativhand-
lungen stehn.
Damit gelange ich zur Hauptsache. Niemals wird es ge-
lingen den Unterschied von Gesetzgebung und vollziehender
Verwaltung an der Erscheinung der einfachen, der verein-
zelten menschlichen Willenshandlung und ihrer Bestandtheile
zu demonstriren. Es ist dies aus dem einfachen Grunde un-
möglich, weil der Thatbestand, über welchem die Begriffe der
Gesetzgebung und vollziehenden Verwaltung behufs seiner Ver-
deutlichung gebildet werden, das genaue Gegentheil einer ein-
fachen, vereinzelten Willenshandlung ist. Dieser zu ver-
deutlichende, zu begreifende Thatbestand ist vielmehr
ein unendlich vielfacher und verschlungener Kom-
plex der mannigfachsten Willenshandlungen, in denen
auch der einfachste Staat sein Wesen entfaltet.
Das allein, worin das staatliche Wollen und Handeln eine
Analogie findet in den individuellen psychologischen Thatbe-
ständen, das ist die nämliche Erscheinung, die auch im Be-
reiche der Vorstellungen Platz greift.
Die Orientirung in der Welt der innern und äussern
Thatsachen ist möglich nur durch begriffliches Denken,
durch eine fortschreitende Bearbeitung unserer Empfindungen
und Wahrnehmungen zu konkreten, zu allgemeinen Begriffen,
zu einer Erfassung des Zusammenhanges der Begriffe in den
Systemen der einzelnen Wissenschaften bis zur Wissenschaft
der Wissenschaften hinauf. Begriffliches Denken ist
das unerlässliche Ordnungsprinzip der Vorstellungs-
welt. Genau so ist die praktische Orientirung des
menschlichen Wollens und Handelns mit unabweisbarer
innerer Nothwendigkeit bedingt durch eine Gestaltung des
Willens, welche sich über die vereinzelten, sich drängenden,
kreuzenden, sich hemmenden und fördernden Triebe, Strebun-