Die Verfassungsentwürfe und die Verfassungen. 21
mässig übertragenen Bundesgewalt. Der Inhaber der preussi-
schen Krone wurde zum Träger des hervorragendsten, vom
Bundesrathe gesonderten Organes des Bundes.
Auf dieser neuen Grundlage beruht die organisatorische
Entwickelung des norddeutschen Bundes und des deutschen
Reiches. Erst sie ermöglichte eine eigene und selbständige
Verwaltung des Bundes in den verfassungsmässig bestimmten
Gebieten. Nur sie konnte führen und führte zur Errich-
tung des Bundeskanzleramtes durch den Präsidialerlass vom
12. August 1867, das den Ausgangspunkt für die heutige
reiche Entwickelung der obersten Reichsbehörden gebildet hat;
zu der Unterstellung der Post- und Telegraphenverwaltung,
der Heeresverwaltung und der Marine unter die verantwort-
liche Leitung des Bundeskanzlers durch den Präsidialerlass
vom 18. Dezember 1867 und nach der entscheidenden Er-
klärung des Kanzlers vom 28. September 1867;'! zur Ueber-
nahme der Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten auf
den Bund seit dem Etat des Jahres 1870. Sodann hat die
Schaffung des deutschen Kaiserthums für das deutsche Reich
den Unterschied der preussischen Staatsgewalt von der Orga-
nisatıion der deutschen Bundesgewalt im Präsidium zu einem
feierlichen Ausdruck gebracht und die Redaktion der Reichs-
verfassung hat darnach die aus den Verfassungsentwürfen
herübergenommenen, missverständlichen Verschiedenheiten in
der Bezeichnung des Bundesoberhauptes als Bundespräsidium,
Bundesfeldherr und selbst als preussischen Oberbefehl (a. 53)
beseitigt. Endlich hat das Gesetz über die Stellvertretung
des Reichskanzlers vom 17. März 1878 zurückgegriffen auf
jene Anträge im konstituirenden Reichstage, welche ein Bundes-
ministerium oder doch eine Mehrzahl verantwortlicher Ressort-
chefs forderten, damals aber auf den entschiedensten Widerstand
’ Sten. Ber. pag. 139: „Ich gebe hiermit die von dem Herrn Vor-,
redner vermisste Erklärung ab, dass ich den Bundeskanzler auch für
die Kriegs- und Marineverwaltung des Bundes dem Reichstage wie dem
Bunde gegenüber für verantwortlich ansehe, solange die jetzige Bundes-
verfassung besteht.“