121] 8 12. Recht und Staat. 217
oder Staaten. Im normalen Sinne kann eine Gesellschaft that-
sächlich nicht bestehn und kann nicht gedacht werden ohne
eine Auseinandersetzung der Betheiligten, die dem Einzelnen
einen irgendwie gesicherten Wirkungskreis abgrenzt und die
berechenbaren Formen des Zusammenwirkens gewährt. Sie
kann nicht bestehn ohne das Recht.
Als der erste Machthaber in einer für die spezifische Ge-
sellschaftsform des Staates reifen Volksgemeinschaft den Satz
formulirte, sei es dass er ihn bewusst aussprach, sei es dass
er in instinktiver Erfassung ihn bethätigte: „Ich bin der
Staat“, da behauptete er die Geltung des Rechtssatzes: „Je-
dermann, den es angeht, hat anzuerkennen, dass ich berufen
bin für die Gemeinschaftszwecke zu herrschen.“ Davon, ob
es ihm gelang diese Anerkennung gleichgültig durch welche
Mittel der Gewalt oder sonstiger Autoritätsbewährung zu er-
ringen, hing es ab, ob ihm die Staatsgründung gelang oder
misslang. Das Moment der Anerkennung, der bewussten, ver-
standesmässig erkannten oder im Gefühl bewährten Nothwen-
digkeit der gesellschaftlichen Bindekraft des staatsgründenden
Willens macht den Rechtssatz aus, auf dem vom einseiti-
gen, immer und unter allen Umständen abstrakten, niemals
die Gesammterscheinung des Lebens erfassenden Standpunkt
des Rechtes aus der Staat beruht.
Das Recht ist die dem Staate nothwendige Er-
scheinungsweise. Er kann ohne dasselbe in seinem Da-
sein, in seiner Wirksamkeit und in seinen Aufgaben weder
thatsächlich bestehn noch begrifflich gedacht werden.
So wahr als der Staat nur eine spezifische Erscheinung
der menschlichen Gesellschaft ist, so wahr als er historisch
erst auf einer bestimmten Kulturstufe sich über frühere Ge-
sellschaftsformen erhebt, so wahr als selbst nach der Bildung
des Staates die menschliche Gesellschaft in der Völkergemein-
schaft auch über die Staaten hinweg besteht, so wahr ist
historisch das Recht früher als der Staat und so
wahr hat es auch einen Bestand über die Staaten
hinweg.