220 $ 12. Recht und Staat. [124
Theoretiker von modernem Datum gelungen, uns auch nur in
einem idealen Entwurf einen Staat zu verdeutlichen, welcher
alle Leistungen der Gesellschaft, die die Kultur eines Volkes
ausmachen, in sich konzentrirte.
Solange wir daher unsere Begriffe bilden, um die realen
Thatbestände zu verdeutlichen und nicht um sie metaphysisch
zu korrigiren, solange wird als wesentliches und charakter-
istisches Merkmal der Umstand in den Begriff des Staates
aufgenommen werden müssen, dass er nicht nur auf sich selbst
gestellte Individuen, sondern anderweitige und von ihm ver-
schiedene gesellschaftliche Organisationsformen voraussetzt, wie
insbesondere die Familien, die korporativen Verbände mannig-
fachster Art und die Verbindungen der freien Anpassung, die
wesentlich den Stoff des Privatrechtes bilden. Besondere Auf-
gaben und besondere Wirkungskreise sind es, die diese ver-
schiedenartigen gesellschaftlichen Organisationen bilden. Das
aber gerade ist die besondere Aufgabe des Staates und das
bildet seinen besondern Wirkungskreis, dass ihm die ein-
heitliche und planmässige Leitung im Zusammenwir-
ken aller gesellschaftlich wirksamen Elemente zum
Behufe der Kulturentwicklung einer territorial indi-
vidualisirten Volksgemeinschaft obliegt. Hierin wur-
zelt seine Suveränetät, seine oberste Stellung über allen auf
seinem Gebiete sich bethätigenden gesellschaftlichen Organi-
sationsformen. Denn Suveränetät ist keine logische Kate-
gorie, die nur eine oberste Herrschaft inhaltsleer oder, was
dasselbe ist, von willkürlichem Inhalte aussagt, sondern sie ist
die oberste Herrschaft, die in jener besondern Aufgabe des
Staates Grund und Inhalt findet. Hieraus entfaltet sich die
doppelte Richtung, in der sich alle Thätigkeit des Staates
bewegt:
einmal die Regulirungen, welche das Zusammenwirken
der in ihm gesellschaftlich wirksamen Elemente in ihren ver-
schiedenen Organisationsformen ermöglichen und verbürgen,
sodann die besondern Leistungen, die er selbst durch
seine eigene Organisation und seine eigene Thätigkeit zu er-