256 $& 15. Der nächste Zweck des Gesetzes. [160
Ihnen zufolge befasst die soziale Schrankenziehung also
das Recht, eine doppelte Richtung, sowohl die „Einengung der
Handlungsfreiheit“ als auch die Erweiterung des „Kreises
freier Wirksamkeit der Persönlichkeit“; sie hat die zweifache
„Funktion der Einschränkung oder Ausdehnung der persön-
lichen Freiheit“. (pag. 215.)
Durch Rechtssätze wird der Wirkungskreis der Organe
des Staates normirt. (pag. 216.)
Durch Rechtssätze werden nicht nur den Individuen, son-
dern auch dem Staate Mass und Grenzen seiner Thätigkeit
angewiesen. (pag. 217.)
Rechtssätze sind ihm nicht nur solche Sätze, welche neues
Recht schaffen, sondern auch solche Sätze in der Form des
Gesetzes, welche bestehendes Recht bekräftigen, dunkles Recht
aufklären, bereits geltende Rechtssätze wiederholen. (pag. 241.)
Auf Grund und in Verfolg dieser Auseinandersetzungen
gelangt Jellinek zu dem grundsätzlichen Kriterium, mit des-
sen Zutreffen oder Hinfälligkeit seine Lehre steht und fallt.
Es ist wiederum der Zweckbegrif. Jellinek pag. 240 sagt:
„Wie sich durch den Zweck alle staatlichen Willensakte diffe-
renziren, so auch die in Form eines konstitutionellen Gesetzes
erlassenen. Hat ein Gesetz den nächsten Zweck, die
Sphäre der freien Thätigkeit von Persönlichkeiten gegenein-
ander abzugrenzen, ist es der sozialen Schrankenziehung wegen
erlassen worden, so enthält es die Anordnung eines Rechts-
satzes, ist daher auch ein Gesetz im materiellen Sinne, hat
es jedoch irgend einen andern Zweck, so ist es kein mate-
rielles, sondern nur ein formelles Gesetz, das seinem Inhalte
nach als Anordnung eines Verwaltungsaktes oder als
ein Rechtsspruch sich charakterisirt.“
Hiernach und wenn ich im vorliegenden Zusammenhang
den als möglich angenommenen Fall eines Rechtsspruches zu-
rückstelle, so lautet die entscheidende Frage: Lassen sich
rechtsverbindliche Anordnungen in Gesetzesform nachweisen,
welche den nächsten, mithin den irgend welchen weitern
Zwecken dienenden Zweck der rechtlichen Regelung im Sinne