Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

175] $ 16. Anwendung des Gesetzes. 271 
fassungsmässiges Gesetz, darum zwar, weil es der Form seiner 
Entstehung nach die suveräne Willensbildung des Staates 
ist, in den von ihm gewollten, seinem Inhalt entsprechenden 
Rechtswirkungen abhängig und bedingt sein von andern vor- 
hergehenden und übergeordneten Rechtssätzen, welche diese 
Rechtswirkungen erst rechtlich begründen. Das Gesetz erzeugt 
seinem Wesen nach die von ihm beabsichtigten Rechtswirkun- 
gen kraft eigener Autorität. Das heisst aber: es kann 
seinem Wesen nach niemals ein Rechtsgeschäft darstellen, 
weil dieses nach dem ihm eigenen Wesen die beabsichtigten 
Rechtswirkungen auf die eigene Autorität niemals zu stützen 
vermag. 
II. Mit diesem seinem Wesen ist es aber auch ausge- 
schlossen, dass ein Gesetz ein Urtheil zum Inhalte habe, 
gleichgültig ob dies ein richterlicher Spruch oder eine Ver- 
waltungsentscheidung ist. 
Ein rechtliches Urtheil, auch wenn es in einer inappel- 
labeln ersten oder letzten Instanz ergeht, ist nur dann ein 
Urtheil, wenn es den Schlusssatz, den es ausspricht, in seiner 
autoritativen, rechtsverbindlichen Kraft zurückführt auf den 
Rechtssatz, der den Obersatz für den zu beurtheilenden Fall 
bildet. Es gilt niemals kraft seiner selbst, sondern immer nur 
kraft des Rechtssatzes, den es anwendet und zwar auch dann, 
wenn es um seiner Unanfechtbarkeit willen das Zutreffen des 
Rechtssatzes jeder weitern Kritik entzieht. Darum ist die 
feststehende Form des rechtlichen Urtheiles: „Wir erkennen 
für Recht“ oder was dem gleichsteht, nicht eine zufällige, son- 
dern durch die Natur der Sache nothwendig gegebene. 
Zweifellos kann man sich den Fall konstruiren, dass die 
Faktoren der Gesetzgebung in allen den Formen der Zustim- 
mung, Übereinstimmung, Sanktion, die für Gesetze vorgeschrie- 
ben sind, den Willen bilden, ein Urtheil zu fällen, eine Ent- 
scheidung zu treffen, einen Rechtsstreit zu entscheiden. Aber 
niemals können sie diesen Willen in einer andern Form aus- 
sprechen als in der: „Wir erkennen für Recht“, „Wir ent- 
scheiden auf Grund Rechtens“. Das heisst sie können dem
	        
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