286 8 17. Folgerungen und Anwendungen. [190
auf den Weg der Gesetzgebung verweist und vorbehaltlich des
Budgetrechtes der Volksvertretung.
Allein dieses praktische Ergebniss der Doktrin
stösst auf die entschiedensten Bedenken, wenn wir
die Unterschiede in Betracht ziehn, welche das posi-
tive Recht aufweist.
Allerdings eine grosse, der Zahl nach überwiegende Reihe
von deutschen Verfassungen scheiden die organisatorischen
Verordnungen grundsätzlich aus dem Herrschaftsbereich der
Gesetzgebung aus. Sie bewerkstelligen dies auf einem dop-
pelten Wege.
Ein Theil dieser Verfassungen beschränken die Gesetz-
gebung grundsätzlich auf bestimmte, inhaltlich bezeichnete
Gegenstände, auf Gesetze, welche „die Freiheit der Person
oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betreffen“ — vor-
behaltlich spezieller Verfassungsklauseln insbesondere über
Finanz- und Justizgesetze. So als Hauptrepräsentant die Ver-
fassung von Bayern VII $ 2, so Baden $ 35, Weimar 8 4
No. 6. Aber auch die Tragweite dieser beschränkten Ver-
fassungsbestimmungen ist eine so weit umfassende, dass sie
nur an Einem Punkt eine sichere und zweifellose Ausscheidung
von dem Mitwirkungsrechte der Volksvertretung gestattet: „für
die organisatorische Gesetzgebung“. So stellt Seydel —
Bayerisches Staatsrecht III, 573 — zutreffend fest. Und das,
was die Theorie mit vollem Rechte folgert, das formulirt so-
gar die Verfassung für Meiningen $ 85 zu dem positiv-
rechtlichen Satze:
„Verordnungen und Gesetze, durch welche nicht blos die
organische Einrichtung der Behörden und die Form
der Geschäftsführung bestimmt, auch nicht blos die nähern
Anordnungen zur Ausführung schon bestehender Gesetze ge-
geben, sondern wodurch Eigenthum und Freiheit der Unter-
thanen getroffen oder eine Veränderung der Abgaben und
Rechte herbeigeführt wird, können ohne Beirath und Zustim-
mung der Stände nicht gegeben oder aufgehoben werden.“