Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

320 $ 21. Die Richtschnur der Finanzverwaltung. [224 
Einnahmen für die Bedürfnisse des folgenden Jahres. Sie 
dürfen weder durch Reservirung von Beständen noch durch 
„verfrühte Verrechnungen“ d. h. durch Einstellung von solchen 
Ausgaben in die Rechnung des Etatjahres bewirkt werden, 
welche erst dem folgenden Jahre angehören. 
Hiervon macht auch die Restverwaltung, soweit sie 
überhaupt gestattet ist, keine Ausnahme. Denn hier werden 
nur rückständige Einnahmen oder Ausgaben trotz ihrer ver- 
späteten Zahlung als noch dem Etatjahre angehörig behandelt. 
Eine wahre Ausnahme machen allein die aus einem Jahre 
in das andere „übertragbaren“ Fonds, bei denen es ge- 
stattet ist, die Ersparnisse an der für eine Ausgabeposition 
bestimmten Summe zur Verstärkung desselben Ausgabefonds 
in einem folgenden Jahre zu verwenden. Aber diese Ausnahme 
kann auch nur durch eine ausdrücklich hierauf gerichtete ge- 
setzliche Ermächtigung begründet werden. 
Das Alles ist anerkannten Rechtens, wie sich dies insbe- 
sondere aus dem Schreiben des Rechnungshofes vom 11. Juni 
1871 — Drucksachen des Reichstages 1872 No. 110 —, aus 
dem Indemnitätsgesetz vom 29. März 1873, aus den grund- 
sätzlichen Erörterungen des Rechnungshofes zu der Reichs- 
rechnung für 1874, zu der preussischen Rechnung für 1884/5 
und den Verhandlungen des preussischen Abgeordnetenhauses 
vom 14. Mai 1888 ergiebt. 
2. Die Finanzverwaltung ist aber auch verpflich- 
tet, die durch den Etat festgestellten Einnahmen als 
Deckungsmittel bereit zu stellen. Sie muss insbeson- 
dere die Einnahmen nach Massgabe des Etatgesetzes bewir- 
ken — freilich und ganz selbstverständlich immer nur in 
dem Sinne, in welchem das Etatgesetz die Feststellung vor- 
nimmt. 
Gewisse Einnahmepositionen bedeuten allerdings ihrer Ab- 
sicht nach nur Ermächtigungen für den zutreffenden Fall 
des Bedarfes, so z. B. Mittel aus Anleihen und aus sonstigen 
ausserordentlichen Finanzmassregeln. Hier hat die Staatsre- 
gierung nicht die Pflicht, die Einnahme überhaupt oder nach
	        
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