342 8 22. Der Massstab der konstit. Verantwortlichkeit. [346
Grund der allgemeinen konstitutionellen Verantwortlichkeit
zu Gebote stehn.
b. Dagegen ist die Verweigerung der Entlastung
ein einseitiger Ausspruch, eine einseitige Rechts-
behauptung.
Sie kann als eine vorläufige, bis zu besserer Rechtferti-
gung beschlossene sein und sich alsdann in Entlastung um-
wandeln. Sie kann durch ein Indemnitätsgesetz, welches die
objektivrechtliche Grundlage der Haftung aufhebt, ihre Er-
ledigung finden.
Tritt aber keiner dieser Umstände ein, dann allerdings
bedarf es weiterer rechtlicher Bestimmungen nach zwei Sei-
ten hin.
Sie sind zu treffen zur Beantwortung der Frage, welche
Rechtsfolgen knüpfen sich an die Haftung des Reichskanzlers
oder seiner Stellvertreter, wenn dieselbe gemäss der Behaup-
tung begründet oder vielleicht selbst zugestanden ist —, Rechts-
folgen, welche nach Verschiedenheit des Falles nur diszipli-
näre d. h. die ministerielle Amtsstellung betreffende oder
strafrechtliche oder vermögensrechtliche sein können und sein
müssen.
Sie sind erforderlich zur Beantwortung der andern Frage,
in welchem Verfahren und vor welcher Instanz bringt die
Decharge-verweigernde Körperschaft ihre Rechtsbehauptungen
im Falle der Bestreitung zu rechtlicher Entscheidung und die
erkannten Rechtsfolgen der Haftung zur Vollziehung.
Das postive Recht verweigert die Antwort auf jede der
beiden Fragen.
An der obersten und entscheidenden Stelle liefert die
rechtliche Betrachtung nur den Nachweis, dass das Recht und
die Verfassung die Ausfüllung der klaffenden Lücke unabweis-
lich fordern. Aber zunächst bleiben die Folgen, die aus der
Verweigerung der Entlastung entstehn, dem wechselnden Spiele
der politischen Machtverhältnisse preisgegeben.
IV. Aber wenn sich auch am letzten Ende die Lücken-
haftigkeit unseres konstitutionellen Rechtes enthüllt, so ver-