Gesetzgebung und vollziehende Gewalt. 39
Insbesondere stand das preussische Präsidium ausser di-
rekter Beziehung zum Reichstage. Ihm gegenüber hatte das-
selbe, wie keine Sanktion oder Veto, so auch — mit einziger
Ausnahme der Vorlage der Rechnungen nach a. 67 d. E.! —
keine Initiative. Wie über alle Beschlüsse des Reichstages
nur der Bundesrath befand, so beruhten alle Vorlagen an den
Reichstag auf Beschlüssen des Bundesrathes; sie konnten nur
von Mitgliedern oder Kommissarien eben desselben vertreten
werden. Die Einbringung der Vorlagen beim Reichstage durch
das „Präsidium“ (a. 17, jetzt a. 16) hatte in diesem Zusammen-
hange keinen anderen Sinn, als dass der Präsident des Bundes-
rathes diejenige formelle Geschäftsverbindung zwischen den
beiden gesetZgebenden Körperschaften herstellte, welche über-
all im Zweikammersystem durch die Kammerpräsidien ver-
mittelt zu werden pflegt. Auch das Erscheinen und das Ge-
hör im Reichstage stand dem preussischen Bevollmächtigten
nur in demselben Masse zu, wie es auf Grund des a. 9 dem
Bevollmächtigten jedes anderen Einzelstaates zustand.
Die Schwäche der Prärogativen war natürlich, so lange
das Bundespräsidium nicht als Organ des Bundes bestand,
sondern identisch mit der preussischen Staatsgewalt war. Es
war unthunlich, selbst dem bevorrechteten. Einzelstaate irgend
bedeutendere Befugnisse über die gesetzgebenden Körper-
schaften, die die alleinigen Organe des Bundes bildeten, ein-
zuräumen. Es genügte, dass innerhalb des Bundesrathes die
Bevorrechtung Preussens, als des Inhabers der vollziehenden
Gewalt für den Bund, stark genug sei, wie sie es thatsächlich
war, um Bürgschaft dafür zu leisten, dass der Gang der Ge-
setzgebung sich nicht von der Vollziehung loslöste und dass
die erstere nicht nur zu einer mechanischen Unterwerfung der
letzteren führte.
Mit der Umwandlung, die das Bundespräsidium durch die
ı Die Vorlage völkerrechtlicher Verträge an den Reichstag war
bekanntlich im Entwurfe überhaupt nicht vorgesehen; das Recht der
Genehmigung beruht erst auf der Verbesserung des Reichstages.