VI
Das Verordnungsrecht
des Kaisers und des Bundesrathes.
Auch das Verordnungsrecht des Präsidiums und später
des Kaisers einerseits und des Bundesrathes andererseits hat
in der Entwickelung aus den Entwürfen zur norddeutschen
Verfassung und aus dieser zur Reichsverfassung mannigfache
Wandelungen erfahren.
Der weite Begriff des Verordnungsrechtes birgt mannig-
fache Unterschiede.
Verstehen wir unter Verordnungen alle diejenigen An-
ordnungen der Staatsorgane, welche im Gegensatz stehen zu
den Verfügungen um ihrer Allgemeinheit willen und zu den
Gesetzen, weil bei ihrer Entstehung das regelmässige Zusam-
menwirken der konstitutionellen Faktoren nicht Platz greift,
so tritt bei ihnen der Unterschied zwischen Vollzugsver-
ordnungen und gesetzvertretenden Verordnungen an
erster Stelle hervor.
Vollzugsverordnungen sind die allgemeinen Anord-
nungen, welche, unter Voraussetzung und nach Massgabe der
gesetzlichen Bestimmungen sowohl über die Kompetenzen der
Behörden als über die Rechte und Pflichten der Unterthanen,
zur Verwirklichung des in dem Gesetze angestrebten Erfolges
oder Zustandes ein bestimmtes Verhalten der Behörden und
Unterthanen vorschreiben. Sie sind wiederum doppelter Art:
Verwaltungsvorschriften — im engern Sinne —, welche,