88 Das Verordnungsrecht des Kaisers und des Bundesrathes.
Aber offenbar bestand nach der Absicht der ermäch-
tigenden Gesetze die Absicht, andere Verordnungen des Bun-
desrathes mit unmittelbarer Rechtswirksamkeit auszustatten.
Das erhellt am schärfsten aus solchen Verordnungen, bei denen
in irgend welcher Weise schliesslich eine Mitwirkung oder
Einwirkung des Reichstages vorgesehen ist: eine Unabänder-
lichkeit der Verordnung, ausgenommen mittelst Zustimmung
des Reichstages, also in der Form des Gesetzes, oder ein
Vorbehalt nachträglicher Genehmigung, oder das Recht des
Reichstages, die Ausserkraftsetzung der Verordnung zu ver-
langen." Hier steht auch im formellen Verfahren die Ver-
ordnung dem Gesetz am nächsten. In der Hauptsache ergiebt
sich überall, wo es sich um Ersetzung und Ergänzung eines
Reichsgesetzes durch eine Verordnung handelt, aus der Natur
der Sache, im Zweifel und in der Regel, die Vermuthung,
dass man der Verordnung die nämliche unmittelbare Rechts-
wirksamkeit zu gewähren beabsichtigt, die dem entsprechenden
Reichsgesetze eignet.
Dieser Voraussetzung gemäss ist denn auch verfahren
worden. Um den Erfolg unmittelbarer Rechtswirksamkeit zu
machung über Formulare der Hilfskassen vom 14. Febr. 1877 — ib.
pag. 99 —; Bestimmungen über aichamtliche Behandlung vorschrifts-
widriger Masse vom 22. März 1876 — ib. pag. 185 —; Bestimmungen
über Gebühren der Militärkommandos bei Rinderpest vom 12. Dez. 1878
— ib. pag. 668. Nur die Vorschriften über Registrirung der Kauf-
fahrteischiffe vom 13. Nov. 1873 sind im Reichsgesetzblatt — pag. 367
— veröffentlicht.
!Unabänderlichkeit des Wahlreglements nach Wahlgesetz vom
31. Mai 1869 $ 15; nachträgliche Genehmigung des Reichstages:
Vermehrung der gewerblichen Anlagen, welche besonderer Genehmigung
bedürfen nach Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 $ 16; Feststellung
der Steuersätze für gewisse Braustoffe nach Brausteuergesetz vom
31. Mai 187281; Ausserkraftsetzung auf Verlangen des Reichstages:
Steuersätze für Tabakssurrogate nach Tabaksteuergesetz vom 16. Juli
1879 8 27, Bestimmungen über Fabrikbeschäftigung von Kindern, jugend-
lichen Arbeitern, Frauen nach Gesetz vom 12. Juli 1878 über Aende-
rung der Gewerbeordnung $$ 139 a. u. b.