Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

Das Verordnungsrecht des Kaisers und des Bundesrathes. 93 
in solcher Weise, unter Ausschluss vom Gesetzblatte veröffent- 
lichten Verordnungen eine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit 
nicht zu. Sie können Rechtsverbindlichkeit nur beanspruchen, 
insofern und insoweit die mangelnde Verkündigung von Reichs 
wegen durch eine Verkündigung in den zutrefienden Formen 
des Partikularrechtes ergänzt ist. Wir stehen vor einem grund- 
satzlosen, willkürlichen und bunten Wechsel zwischen den 
Formen eines unmittelbaren und mittelbaren Verordnungsrechtes 
des Bundesrathes. — — — 
Nach dem Allen ist das Verordnungsrecht des Kaisers 
und des Bundesrathes, wie es sich über die Entwürfe weit 
hinaus in der norddeutschen Verfassung und unter der Reichs- 
verfassung reichhaltig und tief eingreifend entwickelt hat, 
nicht überall gesichert in seiner Abgrenzung gegen den Bereich 
der Gesetzgebung, vielfach schwankend in seiner Vertheilung 
zwischen Bundesrath und Kaiser, in den Formen, die seine 
Rechtsverbindlichkeit begründen, gegen die Natur des Bundes- 
staates und gegen die Anlage der Reichsorganisation parti- 
kularistisch zersetzt. Vor allen Dingen aber enthält dasselbe 
eine Durchkreuzung der konstitutionellen Verantwortlichkeits- 
verhältnisse. 
Schwierig und bedeutsam, wie kaum ein anderer Punkt, 
ist für die Organisation des konstitutionellen Rechtsstaates die 
Abgrenzung zwischen dem Gebiete der Gesetzgebung und des 
Verordnungsrechtes. Sie soll die auf das Allgemeine und 
Stetige gestellte Natur der Gesetzgebung in Einklang setzen 
mit den Anforderungen der Beweglichkeit und der Anschmie- 
gung an die vielgestaltigen Lebensverhältnisse, welche die 
vollziehende Gewalt erhebt. Sie kann mit Sicherheit, ohne 
Reibung und Kampf, unter Bescheidung der gesetzgebenden 
Faktoren, ihre jeder Ausdehnung fihige Sphäre zu beschränken, 
  
1873 pag. 254, vom 5. März 1875 pag. 299 — unter Verweisung im 
Gesetzblatt hierauf — Ges. 1873 pag. 299. 1875 pag. 174 —, endlich 
die letzte Abänderung vom 25. Dez. 1879 nur im Centralblatt — 
Pag. 850 —.
	        
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