120 Erster Teil. Die Organe des Staates.
Dieser Unterschied bestand bis zur Gründung des
Deutschen Reiches. Die Reichsverfassung schuf für ganz
Deutschland ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung,
daß der Angehörige (Staatsbürger, Untertan) eines jeden
Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaat als Inländer
gleich zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz,
zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur Er-
werbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staats-
bürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürger-
lichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der
Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechts-
verfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu
behandeln ist (Art. 3 der Reichsverfassung). Weiter wurde
durch das Gesetz vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und
Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit bestimmt,
daß die Aufnahme in jedem Bundesstaat jedem Ange-
hörigen eines anderen Bundesstaates erteilt werden muß
($ 7 dieses Ges.). Damit sind die Staatsangehörigen der
verschiedenen Bundesstaaten untereinander im wesent-
lichen gleichgestellt. Der Begriff „Ausländer“ ist daher
heute nur noch auf Nichtdeutsche beschränkt. Unter
welchen Voraussetzungen auch diese die Staatsangehörig-
keit erwerben, naturalisiert werden können, bestimmt
jenes Gesetz vom 1. Juni 1870 (s. das. $ 8£f.).
In bezug auf die Ausländer, d.h. die Nichtdeutschen,
steht in polizeilicher Beziehung gemäß Art. 4 der Reichs-
verfassung dem Reich die Beaufsichtigung und Gesetz-
gebung zu.
Im allgemeinen ist den Ausländern der Aufenthalt
im Lande gestattet. Aufenthaltsbeschränkungen sind
aber nach unbestrittenen staats- und völkerrechtlichen
Grundsätzen zulässig. So ist z. B. zurzeit polnischen Ar-
beitern russischer und österreichischer Staatsangehörigkeit,
die als Saisonarbeiter für kürzere Zeit als ein Jahr in
land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben oder in deren
Nebenbetrieben angenommen werden, der Aufenthalt im
Herzogtum nur in der Zeit vom 1. März bis 15. Dezember
jeden Jahres gestattet (Bekanntmachung vom 16. Mai 1904,
Ges.S. 1904, S. 21. Auch unterliegen die Ausländer der