Full text: Um den Kaiser.

im Stile ausdrückt. Einfache Mitteilungen schreiten in feierlichem 
Gewande daher, so in dem eben zitierten Randvermerk: „Ich habe 
Hollmann jetzt davon entbunden, damit die Wahrheit ans Licht 
komme.“ Im mangelhaft geordneten Satzgefüge der mehr oder 
weniger extemporierten Reden herrscht die gleißende Phrase vor. 
Wunderliche Gedankensprünge, wie dieser: „Aus den japanischen 
Siegen darf man nicht den Schluß ziehen, daß Buddha unserem 
Herrn Christus über sei“ sind keine Seltenheit. Das Königtum 
von Gottes Gnaden wird mit einem Kleinod verglichen, das Kaiser 
Wilhelm I. wieder emporgehoben und zu helleren Strahlen verholfen 
habe. „Brave und tüchtige Ratgeber,“ die aber alle „Handlanger 
seines erhabenen Wollens“ waren, „haben die Ehre gehabt,“ seine 
Gedanken auszuführen. Am sichersten ist der diktatorische Ton 
getroffen: Reichogewalt bedeutet Seegewalt, und vollends das Wort 
vom Zerschmettern seiner Gegner. Ein ganz übeles Beispiel von un- 
echter theatralischer Wortmalerei bietet der kürzlich im Wortlaut 
bekannt gewordene Brief an den Kaiser Franz Joseph über die Ver- 
abschiedung Bismarcks, begonnen am 3. März und beendet am 
§. April 1890 1). Nur eine Stelle am Schluß: „Der Mann, den 
ich mein Lebenlang vergöttert hatte, für den ich im Elternhause 
wahre Höllenqualen moralischer Verfolgung ausgestanden; der 
Mann, für den ich allein nach dem Tode Großpapas mich in 
die Bresche geworfen, um ihn zu halten, wofür ich den Zorn 
meines sterbenden Vaters und den unauslöschlichen Haß meiner 
Mutter auf mich lud, der achtete das alles nichts und schritt über 
mich hinweg, weil ich ihm nicht zu Willen war! Welch ein Dolch- 
stoß für mein Herz!“ In diesem peinlich romanhaften Stil sind 
noch andere Teile des acht große Druckseiten umfassenden Briefes 
geschrieben. 
Das über Realitäten in mystischem Wahne hinwegschreitende, 
autokratische Gebaren dieses Kaisers hat ein Menschenalter lang 
den ganzen Erdkreis beunruhigt und den politischen Fortschritt des 
1) Österreichische Rundschau vom 1. Februar 1919: Briefe Kaiser Franz. 
Josephs I. und Kaiser Wilhelms II. über Bismarcks Rücktritt. Herausgegeben 
vom Direktor des Haus-, Hof= und Staatsarchios Dr. Hans Schlitter. 
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