Die tiefste Tragik des einstigen Friedenskaisers in schimmernder
Wehr wird darin bestehen, daß er niemals begreifen wird, welchen
tatsächlichen, wenn auch ungewollten Anteil er an der Lage hatte,
die zum Kriege führte, und daß er immer glauben wird, keinerlei
Schuld zu tragen und bitterstes Unrecht zu leiden.
Der junge Kaiser und der alte Fritz! Im Todesjahre des Ein-
siedlers von Sanssouci schrieb Mirabeau in seinem Werke: Jur
la Monarchie prussienne sous Frédéric le Grand als Bewun-
derer des absolutistischen Genies Friedrichs und zugleich als Vor-
kämpfer einer neuen freiheitlichen Zeit: „Wenn jemals ein un-
verständiger Fürst diesen Thron besteigt, wird man diesen fürchter-
lichen Riesen plötzlich zusammenbrechen, wird man Preußen fallen
sehen, wie Schweden gefallen ist““1). Unter einem König von spieß-
bürgerlichem Mittelmaß kamen schwere Zeiten über Preußen, sie
wurden überwunden. Ein geistvoller König folgte, endete in geistiger
Umnachtung. Unter dem dritten, einem guten und weisen, der
sich von dem Genie eines großen Staatsmannes leiten ließ, stieg
Preußen-Deutschland, mehr gefürchtet als geliebt, zur höchsten Macht
empor. Unter dem Enkel kam zu der politisch-militärischen Macht
noch eine fast beispiellose Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte
mit sietig steigendem Nationalwohlstand hinzu. Es muß doch wohl
ein unverständiger Fürst gewesen sein, der bei allem guten Willen
mit selbsiherrlichem Ubermaß so viel dazu beitrug, daß sich die
Prophezeiung Mirabeaus doch noch erfüllt hat.
1) Vergl. Siegmund Feldmann „Mirabeau in Berlin“ Vossische Zeitung
15. Jan. 1919.
*7 Hammann, Um den Kaiser 97