Full text: Um den Kaiser.

war ein Artikel erschienen, der die überlegene Bedeutung tüchtiger 
Monarchen gegenüber parlamentarischen Staatsmännern hervor- 
hob. Im friederizianischen Stil verfügte der Kaiser ungefähr so: 
Zirkuliert beim Staatsministerium. Mögen sich meine ministres 
das Wort des alten Homer: „Einer sei der Herr, einer sei König“, 
ad nolam nehmen und den Schluß obigen artikuli ordentlich sich 
einprägen. 
Bis der Reichskanzler die Geschäfte in Berlin in vollem Um- 
fange aufnahm, tauchten immer wieder Gerüchte auf, daß weder 
seine Gesundheit noch seine Stellung gesichert sei. In Rominten 
war Fürst Philipp zu Eulenburg wieder Gast des Kaisers. 
Sein mystisch um den Kaiser schwärmender Geist hielt für einen 
etwaigen Kanzlerwechsel den Gedanken bereit: S. M. macht mit 
Tschirschky auswärtige Politik, das Innere besorgt kein Diplomat, 
sondern ein starker Mann, der uns von Sozlaldemokraten und Zen- 
trum zu befreien hätte. Fürst Philipp sollte sogar schon in der 
Sorge um Bernhard Bülows Gesundheit Julius Moltke, den Ge- 
neralstabschef — Julius war ein in der Hofgesellschaft willkür- 
lich gebrauchter Vorname — als Nachfolger bezeichnet haben. 
Dabei spielte der umgetaufte Generalstabschef offenbar nur eine 
passive Rolle, er war viel zu ehrlich und allen Ränken abhold, wußte 
auch, daß der General v. Caprivi vor ihm als Kanzler die Bekannt- 
schaft mit dem Parlament und große Redegabe vorausgehabt hatte. 
Blülow ließ sich durch diese Gerüchte nicht beunruhigen, er fühlte 
sich wieder gesund und wußte, daß es ihm nicht schwer fallen würde, 
kommende Mißhelligkeiten mit dem Kaiser zu überwinden. 
Es dauerte nicht lange, daß sich ein neuer, zwar nicht folgen- 
schwerer, aber doch für das Verhältnis des Kaisers zum Reichstag 
bezeichnender Zwischenfall ereignete. In der Wedebkindschen Für- 
stenkorrespondenz hatte der Kaiser gelesen, daß der Kanzler vor Er- 
öffnung des Reichstages eine Reihe von Parlamentariern zu vertrau- 
lichen Besprechungen empfangen würde. Der Kaiser bat darauf 
den Kanzler brieflich, solche Empfänge zu unterlassen. Wenn es sich 
um wichtige Vorlagen, Flotte, Armee, Schule usw. handele, möchten 
solche Vorbesprechungen zweckmäßig sein, aber sonst ginge das Drein- 
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